System zur Meinungsbildung: Piratenpartei stoppt Liquid Feedback
Die Piratenpartei hat die Einführung ihrer Software zur internen Meinungsbildung, Liquid Feedback, gestoppt und nach eigenen Angaben "um ein bis zwei Wochen" verschoben.
BERLIN dpa/taz | Die Piratenpartei Deutschland hat die für den 5. August geplante Einführung des Systems "Liquid Feedback" gestoppt. Der Bundesvorstand entschied am Donnerstagabend nach der Abstimmung über mehrere Alternativanträge, den Start des Systems vorerst auszusetzen. Nach Angaben des Bundesvorstandsmitglieds Wolfgang Dudda werde "in einer bis zwei Wochen" mit dem Start gerechnet. Die bundesweite Einführung des Systems hatte die Piratenpartei im Mai beim Bundesparteitag in Bingen beschlossen.
Grund für die Verschiebung des Starttermins seien letzte Feinabstimmungen mit Blick auf den Schutz der Nutzerdaten, wie der Bundesvorstand der Partei am Donnerstagabend mitteilte. Vorausgegangen war ein hitziger Streit innerhalb der gesamten Partei um Datenschutz und Transparenz. Während die eine Seite den Ansatz der absoluten Transparenz politischer Prozesse verteidigte, forderten die anderen, dass auch weiterhin anonyme Meinungsäußerungen möglich sein sollten. In einem Blogbeitrag verteidigte der Antragsteller von Bingen, Jan Behrens, das System und wies darauf hin, dass die Piratenpartei "auch in anderen Bereichen stets öffentlich arbeiten" würde.
Bundesvorstandsmitglied Benjamin Stöcker trat am Donnerstagabend aus dem Vorstand zurück. In einer Erklärung in seinem Blog schrieb Stöcker, er "vertraute zum Schluss nur noch zweien der Bundesvorstandsmitglieder". Von zwei weiteren sei seine Meinung "so negativ, dass ihm eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich" erschien. Desweiteren "verstöre" Stöcker das Vorgehen des Liquid Feedback Teams. Dieses Team hätte den Bundesvorstand mehrfach "als Abnickhanseln ihrer Wünsche" behandelt.
Insbesondere vom Landesverband Berlin wird die Einführung von Liquid Feedback forciert. Der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Christopher Lauer, der im Berliner Landesverband Mitglied ist, gilt als starker Verfechter des Systems. Bei seiner Kandidatur auf dem Bundesparteitag in Bingen war Lauer explizit mit dem Anliegen Liquid Feedback angetreten.
Liquid Feedback soll jedem Mitglied ermöglichen, sich unkompliziert und niedrigschwellig mit eigenen Initiativen oder Anträgen zu Wort zu melden. Die Mitglieder können dann ihre Stimme abgeben - oder diese an diejenigen delegieren, denen sie besondere Sachkompetenz in dem jeweiligen Bereich zutrauen. Die Beiträge sind öffentlich im Internet zugänglich. Die Software wurde von Mitgliedern des Berliner Landesverbands entwickelt. In Berlin wird das System schon seit Dezember vergangenen Jahres getestet.
Der Bundesvorsitzende Jens Seipenbusch hatte im Vorfeld gesagt, Liquid Feedback könnte auch demokratische Entscheidungsprozesse auf anderen politischen Ebenen fördern. Das Konzept einer "Liquid Democracy" biete nicht nur die Möglichkeit, "dass jeder selbst abstimmt, sondern gerade auch die Möglichkeit, dass man seine Stimme delegiert, so wie es jetzt ist im repräsentativen System". Diese Art der Vertretung lasse sich dann aber wesentlich flexibler umsetzen, "nicht auf vier Jahre und nicht themenunabhängig für eine Person".
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