■ Urdrüs wahre Kolumne: System zu Boden knutschen
Das Trabitreffen auf der Bürgerweide sorgte kürzlich dafür, dass unmittelbar vorm Krampfmai 2001 die DDR-Spalterflagge mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz vorm CieCieBie im Winde flatterte und an das dialektische Prinzip erinnerte, dass nichts bleibt wie es war und erst recht nicht wie es ist. Dafür nehme ich dann auch schon mal den Mief der Rennpappe und den wuseligen Enthusiasmus ihrer bastelfreudigen Freunde in Kauf.
Vor vielen Jahren hat der Vegesacker Ex-Fährhäusler Conny Krämer mal bei einem Bier am Walkiefer versucht, mir einen Witz zu erzählen, den ich unbedingt „irgendwann mal ausschlachten sollte“ und den ich vermutlich längst vollständig vergessen hätte, wenn er damals bis zum komischen Ende vorgedrungen wäre. So erinnere ich mich immerhin, dass es um den Geburtstag des Papagei von Fidel Castro ging, doch die Pointe ist er mir dann umständehalber schuldig geblieben. So bleibt jetzt nach dem Tod von Conny immerhin die Gewissheit auf ein Lachen, wenn man sich irgendwann wiedersieht. Wenigstens die Hoffnung auf diese ziemlich revolutionäre Perspektive hat sich bei mir halbwegs halten können ...
Der frühere Journalist Axel Schuller demonstrierte als Chef des Weserreports und ziemlich gutes Rudolf Schar-ping-Lookalike am vergangenen Sonntag in einem so genannten Interview mit Innensenator Berni Schulte und seinem Kripochef Eckhard Mordhorst, wie langweilig verbales Pingpong im intellektuellen Siechenhaus sein kann. Dabei hätten beide Herren als politische Freunde von Kohl und Leisler-Kiep zum vorgeblichen Thema „Organisierte Kriminalität“ ja wohl einiges zu sagen gehabt. Frage Schuller: „Wie kann die Polizei im Kreis von Schwarzafrikanern verdeckt ermitteln? Antwort Schulte: „Das ist ein Problem. Kurden und Schwarzafrikaner schotten sich aus Prinzip ethisch und sprachlich ab. Das macht der Polizei das Ermittlungsleben schwer ...“ Frage: „Was bedeutet Trennungsgebot?“ Antwort Mordhorst: „Ermittelt die Polizei, ist die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens“. Frage: „Und wem ist der Verfassungsschutz Rechenschaft schuldig?“ Antwort Schulte: „Dem Innensenator und der parlamentarischen Kontrollkommission der bremischen Bürgerschaft“. Da freut sich der Gemeinschaftskundelehrer. Setzen, drei plus! Mit Rücksicht auf die Eltern, die euch doch besser zur Lehre in Onkel Eduards Havariekontor hätten schicken sollen.
Jetzt hat es auch SPD-Fraktionsvorsitzender Böhrnsen erkannt: „Jens Eckhoff redet Quark“. Warum diese Einsicht aber erst so spät? Und wieso suhlt er sich immer noch mit der ewig jungen Handballdame Jens in der selben Rohmilch-Pampe? Denn sie wissen nicht, was sie tun: Alles Folge jahrzehntelanger Lernprozesse im vergeblichen Strampeln um den Titel „Krawattenmann des Jahres“!
Ziemlich degoutant fand ich die Kritik in den Spalten dieser Zeitung, dass es bei DGB-Maifeiern Erbsensuppe und Freibier statt Fahnen und Kampflieder geben sollte: Das flatternde Textil kann schließlich jede wackere GewerkschafterIn selbst mitbringen und das Liedersingen kommt nach diversen Getränken selbst bei hoffnungslosen Nicht-Visionären fast von selbst: Insofern her mit dem Freibier — das wenigstens darf der Arbeitsmann noch von seiner Interessenvertretung verlangen. Dann aber leider keine LeserInnen-Info dazu, wie und wo das Zeug ausgeschenkt wird, das an sich ja schon von einer Zeit kündet, da der Mensch frei von Zinsfußbedienung und Mammon-Herrschaft Trinkender unter Trinkenden sein darf. Und gegen eine deftige Erbsensuppe kann es ja als vernünftigen Einwand nur geben, dass sie am Ende zu versalzen ist ...
Mag sich auch die scheinbar omnipotente Gier des Ticket-Dealers Schulenberg wie ein Mehltau über diese Stadt legen und werden am Ende selbst Eintrittskarten für den SV Werder nur noch über diesen Raffzahn zu haben sein: Meister Proppers Mitmach-Radio ist morgen ganztags zwischen 10 und 22 Uhr live und „on air“ in der Fin-dorffstr. 22-24 und auf 92,5 Mhz zu erleben, denn Rap-Oma Marlene, Mutlu-Schwester Derya und andere Heldinnen dieser Welt sind selbst für diesen schwarzen Peter nicht käuflich. Ansonsten bittet heute um 20 Uhr zur literarisch-gewalttätigen Bühnenshow „Ein Maibock auf ver.di “ wieder einmal in die heimeligen Räume der GaDeWe
Ulrich „Mai-Unruhe“ Reineking
P.S.: Eine wahrhaft bildschöne Schlagzeile fand sich gestern in der „Schaumburger Zeitung“ zum bevorstehenden Besuch von Gerhard Schröder bei der neu aufgetauchten Thüringer Verwandtschaft: „Die Kanzler-Kusinen: Wir knutschen ihn zu Boden“. Geschichte wird gemacht, es geht voran – und der Osten wird rot!
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