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Jannis Papadimitriou über eingeschränktes Streikrecht in GriechenlandSyrizas Heuchelei

Das hat es noch nie gegeben: Kampfbereite Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaft PAME stürmen das Arbeitsministerium in Athen, marschieren durch bis ins Büro der linken Ministerin ­Acht­sioglou und werfen ihr gemeinsame Sache mit den Kapitalisten vor – einer Politikerin, die vor der letzten Parlamentswahl mit den Streikenden an vorderster Front gekämpfthatte. Und es gab Zeiten, als Syriza-Politiker ihren Hoffnungsträger Alexis ­Tsipras drängten, eine linke Regierungs­koalition mit Kommunisten zu schmieden–oder dies zu versuchen,bevor er sich den Rechtspopulisten zuwendet.

Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Jede Linkspartei kämpft derzeit um das eigene Überleben. Tsipras hat seine Syriza-Partei auf ein Narrativ eingeschworen, das ungefähr so lautet: Im Sommer ist das Rettungsprogramm für Athen vorbei, dann sind wir die lästigen Gläubiger los. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass wir über den Winter noch ein paar Kröten schlucken, und dazu gehört eben die Beschränkung des Streikrechts. Für die Kommunisten wiederum bietet sich eine aus taktischer Sichthervorragende Gelegenheit, sich als die linke Stimme im Land zu etablieren

Zur Wahrheit gehört auch, dass die geplante Einschränkung des Streikrechts im Vergleich mit Deutschland nicht gerade dramatisch ist. Die von Tsipras eingebrachte Regelung besagt: Für einen Ausstand müssen mindestens 50 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer stimmen. Das wäre immer noch großzügig im Vergleich zu den Gepflogenheiten in deutschen Betrieben, wo 75 Prozent erforderlich sind. Aber in Griechenland ticken die Uhren eben anders. Dass 50 Prozent der oft mit mehreren Jobs jonglierenden Arbeitnehmer keinen Beitragsrückstand haben, ist in diesen Krisenzeiten nicht selten. Spätestens am Montag kommt das neue Streikrecht durch das Parlament. Ob Syriza damit auch die nächste Wahl gewinnt, ist eine ganz andere Frage.

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