Syrien-Verhandlungen in Genf: Konferenzbeginn mit Hindernissen
Das syrische Oppositionsbündnis ist nach langem Zögern in Genf eingetroffen, beharrt aber auf seinen Forderungen und droht mit Abreise.
Während die Regierungsdelegation unter Leitung des syrischen UNO-Botschafters in New York, Bashar Jaafari, bereits am Freitag in Genf eingetroffen war und ein erstes vorbereitendes Gespräch mit UNO-Vermittler Staffan de Mistura geführt hatte, trafen 42 Vertreter des HNC erst am späten Samstagabend in Genf ein.
Und ausdrücklich nur „mit dem Mandat und der Bereitschaft zu Diskussionen mit dem UNO-Vermittler über die Umsetzung unser humanitären Forderungen, nicht aber zu Verhandlungen mit der Regierungsdelegation“, wie HNC-Sprecherin Farah Atassi gegenüber Journalisten erklärte.
Auch nach einem ersten Gespräch mit de Mistura am Sonntagnachmittag beharrte das HNC auf seinen Vorbedingungen: Einstellung aller Bombardements und sonstigen Angriffe von Zivilisten und zivile Objekte durch syrische und russische Streitkräfte, die Aufhebung der Belagerung von Städten und Dörfern durch syrische Regierungstruppen sowie das Ende der Behinderungen humanitärer Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung.
HNC als einziger Oppositionsvertreter
Derartige Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht werden in Syrien nach Feststellung der UNO von allen Kriegsparteien verübt, mit großer Mehrheit allerdings von syrischen Regierungsstreitkräften sowie der russischen Luftwaffe.
Zudem verlangt das HNC, das von Saudi-Arabien, der Türkei, Katar und westlichen Regierungen unterstützt wird, dass neben ihm keine anderen Oppositionsvertreter an der Syrien-Konferenz teilnehmen dürfen. Ohne eine Erfüllung dieser vier Vorbedingungen sei die HNC-Delegation nicht bereit zu Verhandlungen und werde Genf verlassen, erklärte HNC-Chef Riad Hidschab nach dem Gespräch mit dem UNO-Vermittler.
Der Chef der syrischen Regierungsdelegation, Baschar Dschaafari, erklärte, er sei bereit, über humanitäre Fragen wie die Freilassung von Gefangenen zu reden. Den Syrern sei jedoch als Erstes geholfen, wenn die Türkei, Jordanien und Saudi-Arabien aufhörten, Terroristen ins Land zu schicken.
Am Samstag hatte ein HNC-Mitglied de Mistura vorgeworfen, er spiele „die iranische Karte“, weil er die Syrien-Konferenz in Genf ohne Erfüllung dieser Vorbedingungen des HNC eröffnet habe. Dieser Vorwurf stieß bei Konferenzbeobachtern auf Kopfschütteln.
PYD unerwünscht
Denn de Mistura gab bislang in erster Linie dem Druck Saudi-Arabiens, der Türkei und westlicher Regierungen nach, indem er unter Protest Irans und Russlands ausschließlich das HNC als Vertreter der syrischen Opposition zu den Verhandlungen einlud.
Die syrisch-kurdische „Partei der Demokratischen Union“ (PYD) erhielt auf Druck Ankaras keine Einladung. Ihr Kopräsident Salih Muslim, dem de Mistura Anfang vergangener Woche noch telefonisch die Reise nach Genf empfohlen und eine offizielle, schriftliche Einladung zu den Verhandlungen in Aussicht gestellt hatte, verließ die Rhonestadt am Samstag wieder.
Zum HNC gehören neben säkularen politischen Oppositionsgruppen auch die beiden islamistisch-salafistischen Rebellenmilizen „Jaisch al-Islam“ (“Armee des Islam“) und „Ahrar asch-Scham“ (“Islamische Bewegung der freien Männer der Levante“). Die syrische Regierungsdelegation forderte den Ausschluss dieser beiden Milizen vom Verhandlungstisch, da sie enge ideologische und operative Verbindungen zur Al-Nusra-Front unterhalten, dem syrischen Ableger von al-Qaida.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße