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Syrien-Studie von Save the ChildrenKinder haben Kriegsschäden

Sprachstörungen, Bettnässen, Alpträume: Der Krieg in Syrien hat einer Studie zufolge bei einem Großteil der Kinder schwere psychische Schäden hinterlassen.

Sorgenlos? Kinder in Tell Abyad, Nordsyrien Foto: dpa

Damaskus/London dpa | Der syrische Bürgerkrieg hat nach einer neuen Studie tiefe psychische Schäden bei den Kindern des Landes hinterlassen. 84 Prozent der Erwachsenen und fast alle Kinder, die im Auftrag der Hilfsorganisation Save the Children befragt wurden, machten Beschuss und Bombenangriffe als größten Stressfaktor im Alltag aus.

„Die Mehrheit der syrischen Kinder lebt in ständiger, teils panischer Angst vor Gewalt“, heißt es. Die Hälfte von ihnen fühlten sich auch in der Schule nicht sicher. 51 Prozent der Erwachsenen geben an, Jugendliche würden zu Drogen greifen, um den Stress des Kriegsalltags zu bewältigen.

Die Studie ist Save the Children zufolge die umfassendste ihrer Art. Zusammen mit Partnerorganisationen seien von Dezember 2016 bis zum Februar mehr als 450 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in sieben syrischen Regierungsbezirken befragt worden.

Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass viele der Kinder unter „toxischem Stress“ litten, die als gefährlichste Form einer Stressreaktion bei Kindern gelte und entstehe, wenn dauerhaft eine große Menge an Stresshormonen ausgeschüttet werde. Der Krieg habe starken Einfluss auf die Kinder, bei denen teilweise Sprachstörungen oder vermehrtes Bettnässen sowie Alpträume beobachtet wurden.

Save the Children fordert deshalb unter anderem ein langfristiges Ende der Gewalt und die Einstellung von Angriffen auf zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser. Der syrische Bürgerkrieg, der vor sechs Jahren begann und der schwerste Konflikt der Gegenwart ist, forderte mehr als 400.000 Todesopfer. Millionen Menschen wurden vertrieben.

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5 Kommentare

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  • Was ist das nur für eine Welt! Ist es inzwischen wirklich schon so weit, dass wir Studien bzw. deren Zahlen brauchen um zu wissen, dass Beschuss und Bombenangriffe Kinder (toxisch) stressen?

     

    Wenn es tatsächlich Zahlen wären, die Menschen überzeugen, dass sie falsch handeln, wäre die Welt längst eine bessere. Zahlen gibt es schon (zu) viele. Nein, Zahlen bekehren niemanden. Und Geschichten über Einzelschicksale auch nur die Wenigsten. Den aller meisten Kriegstreibern ist das Schicksal der Kinder entweder egal, oder sie rechtfertigen ihr Handeln mit der angeblich glücklichen Zukunft, die die Kinder haben werden, wenn sie im Kampf obsiegen. Beides ist gleichermaßen mies.

  • Was ist die Konsequenz aus diesem völlig überraschenden Ergebnis der Studie? Wozu braucht man diese Studie? Muss das Offensichtliche ausführlich dokumentiert werden?

  • Kann ich nachvollziehen, meine Eltern hatten die gleichen Probleme. Den 2. Weltkrieg vom ersten bis zum letzten Tag mitgemacht. Flucht vor den Russen, Bomben, Kampfeinsatz etc.. Mein Alter hat wenn er besoffen war, immer geschriehen als ob er einen Bauchschuss hätte. Na jedenfalls bin ich gewaltlos groß geworden zu Hause. Die Eltern haben es im Nachkriegsdeutschland mit Arbeit aufgearbeitet. Zum Jammern hatte man damals einfach keine Zeit und wahrscheinlich auch keine Lust.

    • @lulu schlawiner:

      Hm. Gewaltfreiheit scheint auch etwas zu sein, was man unterschiedlich definieren kann. Für mich zählen zur Gewalt nicht nur Schläge oder Tritte, sondern auch das unkontrollierte Gebrüll Betrunkener. Es verursacht zwar keine körperlichen Schäden (die man gut erkennen könnte), dafür aber seelische, die nicht so gut zu sehen sind und trotzdem Scherereien machen.

       

      Dass Ihre Eltern ihre Kriegserlebnisse wirklich "aufgearbeitet" haben, glaube ich übrigens nicht. Sie haben sie vermutlich eher verdrängt. Für Geld arbeiten und Erlebtes aufarbeiten geht gar nicht zeitgleich. Das hat mit dem Fokus zu tun, den man ganz unterschiedlich setzen muss für beides.