Synchronsprecher gegen Stimmen-Kopie: Gericht stoppt KI-Stimmenklau
Manfred Lehmann hat gegen einen Youtuber gewonnen, der seine Stimme per KI nachgeahmt hat. Das Urteil schützt erstmals auch „Kunststimmen“.

Das Landgericht Berlin hat ein wegweisendes Urteil gefällt: Synchronstimmen dürften nicht mithilfe von KI imitiert und für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Geklagt hatte Manfred Lehmann, die deutsche Stimme von Bruce Willis, Gérard Depardieu und Kurt Russel.
Ein Youtuber hatte mithilfe einer KI Lehmanns Stimme ohne dessen Einwilligung nachgeahmt und für zwei Videos genutzt. Das Gericht sah darin eine Verletzung in Lehmanns Persönlichkeitsrechten, zu denen auch das Recht an der eigenen Stimme zähle.
Der Youtuber argumentierte, dass er lediglich nach einer „authentischen Stimme mit heldenhaftem Klang“ gesucht und die von der KI-Software vorgeschlagene Stimme verwendet habe.
Das Gericht urteilte hingegen, dass es nicht um eine exakte Kopie der Stimme gehe, sondern vielmehr um die Wiedererkennbarkeit. Ein erheblicher Teil des Publikums hielte die Stimme für Lehmann. Dies zeige sich auch in den Kommentaren, in denen er teils namentlich genannt würde. Durch die gezielt herbeigeführte Ähnlichkeit der Stimmen habe der Youtuber eine „Zuordnungsverwirrung“ hervorgerufen: die Betrachter*innen könnten denken, Lehmann habe der Verwendung seiner Stimme zugestimmt.
Geschäftliche Intentionen
Auch die Meinungs- oder Kunstfreiheit des Youtubers wiegt laut Urteil nicht schwerer als Lehmanns Recht an seiner eigenen Stimme. Die Videos hätten auch einen satirischen Gehalt, der sei aber nicht von Lehmanns Stimme abhängig. Zudem bewarb der Youtuber am Ende der Videos seinen Online-Shop, was wiederum eher für geschäftliche als für satirische Intentionen spreche.
Es könne der Eindruck entstehen, dass Lehmann sich mit den laut Gericht „offenbar eher rechts einzuordnenden“ Inhalten der Videos identifiziere. Der taz sagte Lehmann, dass er den Text für den Youtuber mit knapp 250.000 Abonnent*innen nicht gesprochen hätte, da der Kanal rechtslastig sei. „Die Klage habe ich auch nicht für mich gemacht“, sagt er. In der Branche herrsche Sorge um die vermehrte Nutzung von KI, weshalb er ein Urteil erwirken wollte, auf das andere Betroffene zurückgreifen können.
Laut Lehmanns Anwalt Kai Jüdemann handelt es sich um die erste Entscheidung, die die Stimme auch vor KI-Imitationen schütze. „Die Neuigkeit ist, dass auch die Kunststimme erfasst wird, nicht nur die natürliche Stimme“, sagt er. Nicht nur Lehmanns eigene, private Stimme, sondern auch seine Vertonung als Bruce Willis ist demnach geschützt.
Es fehlt an Emotion, Timing und Authentizität
Für das Urteil sei aber auch die Bekanntheit Lehmanns relevant gewesen. „Damit das Persönlichkeitsrecht, wie in diesem Fall, zum Zuge kommt, bedarf es einer Identifikation der Stimme“, sagt Jüdemann. Diese sei bei unbekannteren Sprecher*innen nicht immer gegeben. Um deren Rechte über die Nutzung ihrer eigenen Stimme zu stärken, brauche es noch klarere gesetzliche Regelungen, etwa im AI-Act der EU.
Er regelt, welche KI-Systeme und Nutzungen in der EU erlaubt sind und soll einen sicheren Rechtsrahmen bieten. KI-Anwendungen sollten nicht missbraucht werden dürfen und die Kennzeichnung von bearbeiteten Inhalten müsse vorgeschrieben werden.
Der Verband deutscher Sprecher*innen fordert, die Erstellung sogenannter Deepfakes, also mithilfe von KI manipulierte Darstellung einer Person und ihrer Stimme, ohne deren Einwilligung als Straftat zu definieren und eine einfachere Verfolgung bei Missbrauch.
Synchronsprecher*innen fordern mehr Schutz
Im März machten deutsche Synchronsprecher*innen in einer koordinierten Aktion auf die Gefahren von KI für die Branche aufmerksam. Dabei warnten sie vor der vermehrten Nutzung von KI-Synchronisation, da es KI-Stimmen an Emotion, Timing und Authentizität fehle.
Sie forderten eine europaweite Regulierung zum Schutz der Berufsgruppe. Das gemeinsame Video erhielt auf Instagram über 450.000 Likes.
Im Fall Lehmann verurteilte das Gericht den Youtuber zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr von 4.000 Euro. Die Höhe des Schadenersatzes ergibt sich aus Lehmanns gängigem Honorar. Das Urteil im Fall Lehmann ist noch nicht rechtskräftig, der beklagte Youtuber kann noch in Berufung gehen.
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