Synchronsprecher Rainer Brandt: Rückkehr des Herrn Tschüssikowsky
Fast jeder von uns kennt die Stimme von Rainer Brandt. Von der Bühne trat der Schauspieler schon vor Längerem ab. Jetzt kehrte er zurück, als fieser DDR-Minister.
"Treffen mit dem Weltstar" lautete die Betreffzeile der Bestätigungsmail von Schauspieler Rainer Brandt, 75, für den angefragten Interviewtermin. Ein schöner Vorgeschmack auf das anstehende Gespräch mit dem Mann, der es wie kein Zweiter versteht, Selbstbewusstsein, Charme und Wärme in einer eleganten Mischung aus liebenswerter Prahlerei und sympathischer Selbstironie zu verpacken.
Entsprechend munter ist das Treffen mit dem gutgelaunten gebürtigen Berliner in einem Lokal am Potsdamer Platz. Brandt, dessen große Bühnenpräsenz sich auch ins Private überträgt, lacht dabei gern und bringt durch seinen Humor, der zuweilen durchaus etwas unziemlich ausfallen kann, noch mehr sein Gegenüber zum Lachen.
Schon ab Mitte der 50er Jahre machte Brandt eine beeindruckende Theaterkarriere. Später war er zusätzlich in etlichen deutschen Kinofilmen zu sehen. Doch trotz dieser frühen Erfolge war er lange Zeit von Bühne und Leinwand verschwunden. Doch nur optisch, denn sprachlich war er in Deutschland präsenter als jeder andere.
In den 70er Jahren wurde Brandt durch seine ureigenen Synchronisationen von Fernsehserien wie "Fawlty Towers", "MASH", "Frasier", "Ein seltsames Paar" oder "Käfig voller Helden" berühmt. Seine Trainerpersiflagen von Ende der 60er und bis weit in die 70er Jahre im "Sportstudio" des ZDF sind Legende. Fast jeder kennt vor allem seine Stimme, die er unter anderem Tony Curtis, John Lennon, Tony Randall, Elvis Presly, Jean-Paul Belmondo und Marlon Brando lieh - um nur einige von sehr vielen aufzuzählen.
Zur Kultfigur und zum "Synchronpapst" wurde er aber sicherlich durch die abenteuerliche Synchronisation der britischen Serie "Die 2", die er gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Karl-Heinz Brunnemann mit Sprüchen und Kalauern aufpeppte, die bald ins Volksgut übergingen und noch heute als "Schnodderdeutsch" bekannt sind. "Tschüssikowsky" ist beispielsweise von ihm und der schöne Spruch "Sleep well in your Bettgestell", mit dem unsereins in Kinderjahren von den Eltern ins Bett gelegt wurde.
Doch jetzt hatte Brandt nach 40 Jahren vom Schreiben, Regieführen und Produzieren "die Schnauze voll". Er wollte endlich wieder auf die Bühne zurück - back to the roots! Nur wie macht man das? Bei einem Glas Wein, getreu dem Motto "Erheben wir unsere Gläschens - zur Freud und Kurzweil unseres Bläschens" - natürlich ein Brandt-Spruch -, weiß der große Mann mit schwarzweiß kariertem Jackett, den grünen Augen und dem üppigen Haarschopf äußerst unterhaltend davon zu berichten: "Meine Frau, die Schauspielerin Ursula Heyer, wurde vom Theater am Potsdamer Platz für die Rolle der Mrs. Schumacher in 'Dirty Dancing' zu einer Audition gebeten. Ich fuhr sie zum Casting. Als wir dort waren, erfuhr sie, dass es noch gar keinen Mister Schumacher gab. Sie sagte: 'Nehmen sie doch meinen Mann, der kann so was und steht hier vor der Tür.' Also sprach ich vor und freute mich hinterher darüber, so was mal wieder gemacht zu haben. Ich hatte es aber dann auch schnell wieder aus dem Kopf. Wie gesagt, als Chauffeur meiner Frau war ich eigentlich nur die Knochenbeilage, sozusagen. Eine Woche später durfte ich überraschenderweise den Vertrag unterschreiben."
Duft der Manege
Er hatte keinerlei Schwierigkeiten damit, den Schritt aus dem Tonstudio heraus und wieder auf die Bühne zu finden. In der anfangs recht kleinen Rolle fiel er durch seine Bühnenpräsenz so sehr auf, dass er schnell in eine größere Rolle befördert wurde. Zunächst als Zweitbesetzung, dann bald als Erstbesetzung. "Na ja, ich bin ja gelernter Schauspieler, habe in vielen Filmen mitgespielt und stand früher in vielen Hauptrollen auch auf der Bühne. Da weiß man, welche Knöpfe auf seiner Tastatur man drücken muss, damit alles richtig abläuft. Ich bin wie ein altes Zirkuspferd. So ein Pferd kann man auch jahrelang auf eine Wiese stellen, das verlernt nichts. Sobald das Pferd die Zirkusmusik hört und den Duft der Manege wittert, bläht es die Nüstern und scharrt mit den Hufen. Das kennt dann noch jeden Schritt, den es machen muss, und so geht es mir auch. Schenkeldruck genügt. Das bleibt dir im Blut."
Nach "Dirty Dancing" gibt Rainer Brandt seit Januar in dem aktuellen Udo-Lindenberg-Musical "Hinterm Horizont" unter der Regie von Uli Waller nun Abend für Abend den DDR-Minister Erich Mielke und einen Bar-Pianisten. Das Musical erzählt mit vielen großen Lindenberg-Hits davon, wie sich Udo Lindenberg 1983 in ein Mädchen aus Ostberlin verliebt und zur Zielscheibe der Stasi wird. Wer Rainer Brandt auf die Bühne holt, damit er einen DDR-Minister spielt, der erwartet sicher nicht, dass Brandt einen DDR-Minister gibt, der spricht, wie ein alter DDR-Minister vielleicht gesprochen hat. Brandt selbst hat den Text der Bühnenfigur mitentwickelt. "Das ergab sich teilweise auch aus Textunsicherheiten. Da habe ich dann mal etwas gesagt, was mir grad einfiel und Uli rief sofort: 'Das ist gut, das muss bleiben!'"
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sein Mielke eindeutig "Brandtsprache" spricht: "Man kann einen so bösartigen, ungebildeten und hochgefährlichen Mann in einem solchen Musical eigentlich nur persiflieren. Und das tue ich. Dass Mielke selbst aus der Gosse stammt, kommt meiner Komik sehr entgegen. Cholerisch, wie er war, nimmt man ihm Sprüche ab, wie 'Arschgeigen seid ihr alle!' oder 'Diese Scheiße fetzt einem doch die letzte Spreewaldgurke aus der Schnauze!' Oder auch: 'Im Nichtskönnen lassen wir uns von keinem was vormachen, da sind wir Weltspitze.' Aber es ist gar nicht so einfach, Zynismus oder Satire in die richtigen Bahnen zu bringen. Wenn man es zu sehr übertreibt, dann gleitet es ab und wird scheiße. Aber ich weiß, wie man Pointen setzt, ich kann das. Und der Udo findet das so geil, der steht auf solche Sachen. Er war auch aktiv bei den Regiearbeiten dabei."
Fünf Promille mit Udo
Udo Lindenberg und Rainer Brandt kennen sich bereits seit vielen Jahren und sind Freunde. "Ich habe ihn vor vierzig Jahren auf Sylt kennengelernt. Dort brach er plötzlich mit seiner Bande ein, mit seinem ganzen Haufen. Ich hatte irgendein schickes Auto, etwas Schnelles aus einer italienischen Edelschmiede für Exoten - irgend so was, das gefiel ihm so gut, und darüber haben wir etwas gequatscht. Das war am Nachmittag. Und dann haben wir uns bis zum frühen Morgen abgefüllt, wir müssen mindestens 5 Promille gehabt haben. Früher hat mir seine Musik nicht so gut gefallen - ich komme musikalisch eher aus der Richtung von Duke Ellington und hatte da nicht so den Zugang. Ich bin einfach nicht dahintergestiegen, was der da machte. Was mir allerdings immer schon gefallen hat, das waren seine Texte. Und ich bin sehr glücklich, inzwischen mit ihm so warm geworden zu sein. Wir haben beide das Gefühl, wir kennen uns schon tausend Jahre."
Brandt möchte das Lindenberg-Musical auch gern als eine Art Geschichtsunterricht sehen: "Die Kids lernen ja heute in den Schulen nichts mehr außer Messergruß aus Solingen. Die heute Zwanzigjährigen sagen ,Wat für ne Mauer? Wie, wat, wo, wer hat ne Mauer?'" Und er denkt noch lange nicht daran, seine frische Bühnenkarriere bald wieder an den Nagel zu hängen: "Mal sehen, wie lange das Stück jetzt läuft, das kann ja durchaus ein paar Jahre dauern. Und danach kommt wieder etwas Neues!"
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