Synchrones Stöhnen

Fuck of Motherfucker: Gute Ratschläge für die Liebe erhielt, wer sich Macy Grays Stimme, zärtlich wie Schmirgelpapier, hingab. Selten hat man sich in der Columbiahalle so gut amüsiert wie beim einzigen Deutschlandkonzert der Sängerin aus Ohio

von CHRISTIANE RÖSINGER

Macy Gray spinnt. Sie ist ein bisschen verrückt, zumindest ein wenig plemplem, auf alle Fälle aber ein echtes Original. Nathalie McIntyre aus Ohio wollte eigentlich nie Sängerin werden, machte aber doch Aretha Franklin und Marvin Gaye zu ihren Vorbildern. Inspiration gaben ihr auch Led Zeppelin und die Funk-Musik der Siebzigerjahre. Sie nannte sich Macy Gray, und mit der Debüt-CD „On how life is“, einer Mischung aus Soul, songorientiertem Pop, HipHop und R&B kam 1999 der Durchbruch. Ihre merkwürdige knarzige Stimme wird gemeinhin mit einem Reibeisen verglichen, klingt aber eher nach einem Stück zärtlichem Schmirgelpapier. Im Gegensatz zu den R&B -Kolleginnen mit den geölten Schmachtstimmen und perfekt angegossenen Seidenhemdchen, schlurfte Macy Gray zu Beginn ihrer Karriere gerne in langen Second-Hand-Mänteln durchs Bild und galt folglich als Außenseiterin.

Auf ihrer neuen Platte „The problem of being myself“ werden inhaltlich sämtliche Lebensaspekte abgedeckt. Es gibt Liebes- und Beziehungslieder (She ain’t right for you), es geht um Religion (Jesus for a day ), Drogen (Happiness) und Sex (Screaming). Trotzdem ist Macy Gray bei uns ein wenig in Vergessenheit geraten. Am Freitagabend, beim einzigen Deutschlandkonzert, ist die Columbiahalle nur halb voll.

Das macht aber wenig, denn so entsteht in der sonst eher seelenlosen Halle eine fast intime Atmosphäre. Auf der Bühne tummeln sich sieben Musiker plus DJ, die Sängerin im karierten Anzug ist bester Laune, und unten wackelt alles mit. Auf der Bühne ist Macy ist ständig unterwegs, um etwa einen Hut aufzusetzen, den Schal zu wechseln, sich zu erfrischen oder was auch immer, und derweil jammen und daddeln die Musiker auf der Bühne minutenlang auf den Instrumenten herum. Die melancholische Trompete, die jaulende Gitarre und auch das verbotene Schlagzeugsolo kommen so zum Einsatz.

Dann kehrt sie zurück und gibt großspurig und komödiantisch ihre Lebensweisheiten von sich: „Also, wenn eine Frau in einen Mann verliebt ist und der Motherfucker liebt sie nicht genug zurück, dann soll sie Fuck of Motherfucker! Fuck of! zu ihm sagen.“ Macy, deren Lieblingsthemen irgendwie schon Sex und der Unterkörper sind, ermuntert das Publikum immer wieder zum Arschwackeln und Kleider ablegen: Sexy People of Berlin, I wanna see your asses!

Den Fans wird einiges abverlangt, nicht immer kapiert die wohlwollende Menge, worum es geht. Das nicht HipHop-sozialisierte Publikum braucht etwas länger, um die Regeln des Call-und-Response-Spiels zu verstehen. An welcher Stelle soll jetzt mitgesungen werden, und wie kriegt man das verlangte Stöhnen synchron zu den Basedrums, und soll man jetzt wirklich „the dick, the dick, the dick“ mit skandieren? Das ganze Konzert ist eine sehr groovige, lockere, durchgeknallte Glam-Show. Dabei spielen die Musiker beseelt und präzise zusammen, singen die Keyboarder so nebenbei, als wäre es nichts, schwierige Chorpassagen mit, konzentriert sich die Band bei aller Improvisation und HipHop-Angeberei in den Pausen wieder genau auf den Einsatz und auf Macy Gray. Die singt großartig, macht Grimassen, legt sich kurz flach, tanzt eine Runde, zieht sich ein Handtuch durch den Schritt und verschenkt es, klettert über die Absperrung, um Hände zu schütteln.

Selten hat man sich in der Columbiahalle so gut amüsiert. Erst nach drei Stunden sagt Macy Gray tschüss: Lovely people of Germany! Lovely, sexy stupid, people of Berlin! Love yourself, Love God, Love Macy Gray!