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Sven Giegold zu den Sparbeschlüssen"Die Schwachen bezahlen"

Jetzt präsentiert die Koalition das Sparpaket und bis zur nächsten Wahl setzt sie dennoch die FDP-Steuersenkung um, befürchtet der Grüne Sven Giegold.

Guido Westerwelle (FDP) hat sein Steuersenkungsprogramm noch lange nicht aufgegeben. Bild: ap
Eva Völpel
Interview von Eva Völpel

taz: Herr Giegold, was bringt Sie beim Sparpaket mehr auf die Palme - die Luftbuchungen oder die Belastung der sozial Schwachen?

Sven Giegold: Mich ärgert natürlich am meisten die neoliberale Handschrift des Textes und die soziale Schieflage. Ich vermute allerdings, dass die ganze Sache noch bösartiger ist. Denn die Steuersenkungspläne sind ja nicht vom Tisch. Herr Westerwelle hat es am Montag noch einmal betont. Es sind ja eine Menge Themen ausgespart worden. Deswegen glaube ich, dass jetzt die Schwachen das bezahlen sollen, was nachher durch eine Steuerreform wieder verjubelt werden soll.

Können Sie das näher erklären?

Der letzten Steuerschätzung lag ein Wirtschaftswachstum für dieses Jahr von 1,8 Prozent zugrunde. Der Außenhandel boomt aber, auch dank unserer Niedriglohn- und Steuerzurückhaltungspolitik. Deswegen kann es sehr gut sein, dass wir bei einem deutlich stärkeren Wachstum enden. Dann sähe die Einnahmesituation viel besser aus und man könnte 2011, 2012 mit Steuersenkungsplänen der Bundesregierung rechnen, mit denen diese wahrscheinlich die nächste Bundestagswahl bestreiten will.

Gibt es am Sparpaket auch etwas Positives?

Bild: ap
Im Interview: 

Sven Giegold (40) ist Mitbegründer von Attac Deutschland und war im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis tätig. 2008 trat er den Grünen bei. Seit 2009 ist er Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament.

Natürlich enthält es Forderungen, die wir schon lange stellen, wie etwa eine Flugticketabgabe oder die zumindest teilweise Beschränkung der Übersubventionierung der energieintensiven Industrie. Das ändert aber nichts daran, dass diese Einsparungen im Kern von den sozial Schwachen bezahlt werden, um dann vermutlich in der nächsten Periode den sogenannten Mittelstand kräftig zu entlasten.

Wie bewerten Sie das Sparpaket europapolitisch?

Das Paket ist antieuropäisch. Das nimmt in der Debatte viel zu wenig Raum ein. Tatsache ist: Die südeuropäischen Länder müssen ihre Haushalte konsolidieren. Das geht aber nur, wenn die Leistungsbilanzüberschüsse der starken Länder, allen voran Deutschlands, mit den schwächeren zurückgeführt werden. Mit diesem Sparpaket wird das erschwert, denn die nachfragewirksamen Einkommen am unteren Ende werden weiter reduziert. Auch im Interesse eines stabilen Euros muss die Konsolidierung vor allem durch die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen und durch die Schließung von Steuerschlupflöchern erfolgen.

Die Opposition kündigt Widerstand an. Gibt es Protest auf der Straße oder ist das auch eine Luftnummer?

Ich hoffe, dass es zu Widerstand kommt und dass dazu die Gewerkschaften, die kritischen Teile der Kirchen, Sozialverbände und die Oppositionsparteien an einem Strang ziehen. Es zeigt sich, dass es möglich ist, die Union zu spalten. Man muss nur hören, wie Unionspolitiker derzeit höhere Spitzensteuersätze fordern. Da liegt großes Potenzial.

Also auf die Straße unter dem Motto "Steuererhöhungen für Gutverdienende"?

Das wäre nicht die alleinige Botschaft. Es geht auch um sinnvolle Sparmaßnahmen. Es gibt jede Menge Staatsausgaben, die weder gerecht noch effizient sind. Die kann man abbauen. Das gilt für Subventionen und diverse Steuervergünstigungen.

An was denken Sie im Detail?

Zum Beispiel an das Gesundheitssystem, an Privilegien für Apotheken, Pharmakonzerne, einen Teil der niedergelassenen Ärzte und mangelnde Qualitätssicherung. Da gibt es vieles, wo man sparen und zu einer besseren Gesundheitsversorgung beitragen könnte. Bei unökologischen Subventionen könnte man insgesamt 40 Milliarden Euro einsparen. Und Beamte sollten wie Angestellte im öffentlichen Dienst behandelt werden. Wir verschieben mit den Beamtenpensionen ein großes Problem in die Zukunft.

Wie steht es um die verringerten Mehrwertsteuersätze? Erhöhte Sätze für Dinge des täglichen Konsums würden Geringverdiener härter treffen.

Deswegen bin ich auch gegen pauschale Angleichungen. Aber warum soll das Züchten von Pferden mehrwertsteuerbegünstigt sein? Es ist aber aus meiner Sicht kein Zufall, dass diese Themen bei diesem Paket ausgespart wurden. Das kommt im Rahmen einer nachgeschobenen, größeren Steuersenkungsrunde, die die FDP ja immer noch verspricht. Zur Gegenfinanzierung wird man dann, befürchte ich, im Bereich der Konsumbesteuerung insgesamt so drauflegen, dass es auch wieder die Armen bezahlen müssen, um dann wie versprochen die Senkung der Einkommensteuer für die FDP-Klientel zu finanzieren.

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6 Kommentare

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  • MB
    Manuel Becker

    Jaja, Herr Giegold, mit den Grünen in der Regierung würde alles vieeeel sozialer ablaufen... ?

     

    Gibt es eigentlich eine internationale Zusammenarbeit unter den Grünen?

    Manchmal habe ich den Eindruck, dass vor 100 Jahren, zu Zeiten der Postkutsche, die internationale Zusammenarbeit der Parteien enger war.

    Denn wenn es heute so etwas gäbe, dann müsste Herr Giegold doch erfahren haben, wie bei seinem links-grünen Parteifreund aus Island die Resultate von einem Jahr als Finanzminister aussehen: Erbärmlich.

    Statt sich für seine Bevölkerung einzusetzen, hatte er sich willfährig den Bedingungen des Auslands unterworfen (GB, Niederlande) mit der Folge, dass Island für die kommenden 15 Jahre zusätzlich zur ohnehin fragwürdigen Entschädigung ausländischer "Investoren" auf diese Summe noch 5,55 % Zinsen zahlen sollte. Die logische mathematische Folge: Der ursprüngliche Schuldbetrag hätte sich fast verdoppelt. Jaja, bei "Minuswachstum" noch Wucherzinsen zahlen und den Vertrag als Erfolg verkaufen, da hebt sich grünes Denken in keinster Weise vom neoliberalen Mainstream ab.

    Herr Giegold, hören Sie auf, den Menschen irgendwas vorzugaukeln. Lesen Sie lieber erstmal in Ruhe ein Buch von John Maynard Keynes. Der erklärt schlüssig, wie das mit dem "sanften Tod des Rentiers" funktionieren könnte. Taten statt Worte - in Island und anderswo - würden heute gebraucht.

    Ach ja, in Island hatte sich dann eine Volksinitiative gegründet (Indefence), um diesen Wahnsinns-Zinsknechtschafts-Vertrag zu verhindern.

    Bravo! Der einfache Bürger mit seinem gesunden Menschenverstand ist wohl tausendmal intelligenter als unsere sogenannten gutbezahlten "Experten", nicht wahr, Herr Giegold!

  • L
    Linker

    Guter Mann mit guten Ansichten! Leider gibt es bei der "Öko-FDP" zu wenige seines Schlages, was sehr bedauerlich ist.

  • MS
    M.Buikis, SED-Opfer

    Die Schwachen sollen zahlen, das ist ein Unrecht in unserem Land, diese Regierung zerstört alles was eins seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland an Wohlstand für das Volk aufgebaut wurde, diese Regierung ist unter allen Regierungen in der Bundesrepublik Deutschland eine Schande und schadet das Ansehen unserem Land mit diesem Sparpaket wird eine ungerechte Verteilung gegen das Volk und für die Lobby auf dem Weg gebracht, das ist eine Verachtung der Menschenwürde, diese Regierung sollte zurück treten damit der Soziale Frieden wiederhergestellt wird und Neuwahlen ansonsten könnten die Folgen Unruhen des Volkes ausgelöst werden und erinnern wir uns an 1989 in der ehemaligen SED/DDR-Junta; "Wir sind das Volk" und die Regierung von durch das Volk verjagt und entmachtet. Zum ersten mal in der Nachkriegsgeschichte und seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland stehen wir vor der Gefahr, das die Demokratie und Freiheit unser Sozialstaat durch den Regierenden zerstört wird, das Volk hat mit Recht die Politk der Bundesregierung an den Pranger gestellt und fordert die Gerechtigkeit ein!

    Die Besserstellung der Lobby, Banker und Manager ist das größte Unrecht in der kapitalistischen Geschichte, die durch das Handel der Bundesregierung ausgelöst wurde, die Bundesregierung sollte den Weg zu Neuwahlen frei machen, das Vertrauen des Volkes wurde verspielt.

  • H
    Hans

    Was ich an den Äußerungen ganz gut finde, ist Giegold verrät, wie das in den nächsten Jahren laufen soll: Man spart mit dem Argument Krise bei armen Menschen und während des Aufschwungs entlastet man, Unternehmen, Lobbyisten und die Wohlhabenden und verkauft das als eine Art Wachstumsanschub.

    In einem Punkt muss ich Giegold widersprechen: Mit Niedriglöhnen und Lohnzurückhaltung erzielt kein Unternehmen Gewinne in Exportmärkten, diese Faktoren sind nicht ausschlaggebend, sondern es kommt auf innovative und qualitativ hochwertige Produkte an. Alleine die Abwertung des EUROs erzeugt eine (momentanen) Vorteil, der viel größer ist, als jedes Prozentpünktchen, was niedrige Löhne bringen. Niedriglöhne würden sich zwangsläufig auf die Situation in China oder Indien runterrechnen müssen und das schafft Deutschland niemals, da gibt es keine Chance zur Konkurrenz.

  • HZ
    Holger Zorn

    Herr Giegold beklagt namens der Grünen, dass die herrschende Polit-Elite nur bei den Beherrschten sparen will. Jedoch gilt: Schnallt man den Gürtel eines dicken enger, erreicht man viel schneller eine effektive Reduzierung des Umfangs als beim Gürtel eines Dünnen. Seinen eigenen Anteil am Herrschaftskuchen will er ja auch nicht abgeben. Oder hat man auch nur eine Partei öffentlich sagen hören, dass sie künftig auf die Wahlkampfkostenerstattung verzichten wolle? Den Bündnisgrünen brachte sie 2008 reichlich 10 Millionen Euro. Die Streichung des Heizkostenzuschusses für Hartz-IV Empfänger könnte komplett zurückgenommen werden, wenn diese Politsubvention fiele.

  • KS
    Kai Schwarz

    Ist ja alles richtig, was der Mann sagt. Aber die soziale Schieflage dieser Sparbeschlüsse interessiert die Partei, in die er eingetreten ist, allenfalls in taktischer Hinsicht.