Suspendierung als Rohrkrepierer?

■ Verwaltungsgericht entscheidet heute über Wiedereinstellung von Polizisten Von Kai von Appen

Juristisches Nachspiel des Hamburger Polizeiskandals, Teil eins: Das Verwaltungsgericht wird sich heute mit der Suspendierung von Polizisten des Einsatzzuges Mitte 1 befassen. Elf von ihnen, so teilte ihr Rechtsanwalt Michael Bertling der Welt am Sonntag mit, klagen per Eilantrag auf sofortige Wiedereinstellung. Sie waren mit sechzehn Kollegen nach dem Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann wegen des Verdachts fremdenfeindlicher Übergriffe vorläufig ihres Amts enthoben worden.

Bertling wirft der Polizeiführung um Staatsrat Dirk Reimers und Kripo-Chef Wolfgang Sielaff vor, daß seinen Mandanten eine „vernünftige und faire Anhörung“ sowie Akteneinsicht nicht ermöglicht worden sei. Reimers und Senatschef Henning Voscherau hatten die Suspendierung des kompletten Einsatzzuges mit der Schwere der Vorwürfe gegen den Einsatzzug begründet. Eine genauere Differenzierung, so Reimers vor dem Innenausschuß der Bürgerschaft, sei in der vergangenen Woche nicht möglich gewesen.

Eine durchaus fragwürdige Begründung, da in dem als „absolut glaubwürdig“ eingestuften internen Berichts eines Beamten über Mißhandlungen im Zellentrakt der Revierwache 11 nur vier Polizisten des Einsatzzugs namentlich oder durch Angabe des Dienstranges genannt werden.

Die Bild-Zeitung berichtet in ihrer Samstagausgabe, daß Bürgermeister Voscherau nach dem Hackmann-Rücktritt auch nur die Suspendierung dieser vier Beamten gefordert haben soll. Auf der anderen Seite hat der Senatschef die von Reimers veranlaßte Amtsenthebung des kompletten Zuges in der vergangenen Woche immer wieder verteidigt.

Anlaß genug zu Spekulationen. So bezeichnet Rechtsanwalt Manfred Getzmann – oft Vertreter von Polizeiopfern – den Zwangs-Urlaub für die 27 Polizisten als „Vertuschungs-Arie, durch die erreicht werden soll, daß niemals mehr ein Beamter auspackt“.

Auch der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete und „kritische Polizist“ Manfred Mahr hält das Vorgehen des Senats für unhaltbar: „Es hat viel gravierendere Anlässe gegeben, wo man gegen den Einsatzzug Mitte hätte vorgehen können.“ Ein Skandal sei für ihn auch, wie mit dem Bericht des polizeiinternen Informanten über die ausländerfeindliche Vorgänge in der Wache 11 umgegangen worden ist. Bereits einen Tag nach der Benachrichtigung der Polizeiführung sei in der Einheit bekannt gewesen, wer geplaudert habe. Mahr befürchtet: „Welcher Kollege meldet sich noch, wenn so mit seinem Bericht umgegangen wird.“

Widersprüche tun sich auch auf einer anderen Ebene auf. Der Chef der Polizeidirektion Mitte, Richard Peters, legte in einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt am vergangenen Mittwoch „besonderen Wert“ auf die Feststellung, daß gegen keinen der suspendierten BeamtInnen wegen der Mißhandlung des Journalisten Oliver Neß durch Polizisten während der Kundgebung gegen Jörg Haider am 30. Mai auf dem Gänsemarkt ermittelt werde. Das widerlegt Staatsanwaltsprecher Rüdiger Bagger: „Es wird in dieser Sache gegen vier Beamte ermittelt, davon einen der PD 125/1“. Letztere ist der Einsatzzug Mitte 1.

Auf dessen Zugführer Dieter Dommel, der in den vergangenen Tagen in den Medien seine Einheit als „Bauernopfer“ der Politik bezeichnet hat, könnte in den kommenden Tagen weiteres Ungemach zukommen. Bagger: „Herr Dommel hat bislang einen Zeugenstatus, das kann sich aber noch ändern.“ Der Anklagebehörde liege mittlerweile umfangreiches Filmmaterial von den Vorgängen auf dem Gänsemarkt vor. Als sich Beamte in Zivil auf den ARD-Korrespondenten Oliver Neß stürzten, ihn zu Boden warfen und ihm den Fuß verrenkten, gehörte Dommel nach diversen Zeugenaussagen zu denjenigen, die die Mißhandlung „deckten“, indem sie Reporter vom Geschehen fernhielten. Staatsanwalt Bagger: „Es kann auch eine Straftat vorliegen, wenn er nicht unmittelbar beteiligt war.“

Auch wegen der Drogenrazzia im Schanzenpark könnte es Dommel noch strafrechtlich an den Kragen gehen. Wie berichtet, hatte der Einsatzzug Mitte am 1. Juni bei der Jagd nach Hasch-Dealern Schwarzafrikaner, bei denen keinerlei Rauschgift gefunden worden war, bis zu fünf Stunden in der Wache Sedanstraße festgehalten. Diese Maßnahme zur „Gefahrenabwehr“ hatte Dommel angeordnet. Mehrere Afrikaner berichteten nachher über rassistsche Beschimpfungen durch Beamte.