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Susanne Messmer wundert sich über Umfragen zur ZufriedenheitDas Glück ist eine leichte Dirne

Alle paar Monate wieder flattern sie durch die Medien: Umfragen unter den Deutschen, wie glücklich sie eigentlich sind. Und immer wieder kommt dabei heraus, dass die Berliner im Vergleich recht übellaunig sind. Meist wird das Ganze dann noch garniert mit ein, zwei Anekdoten über patzige Busfahrer.

Die Deutsche Post hat nun einen Glücksatlas veröffentlicht, in dem sie das Unglück der Berliner auch zu begründen versucht. Sie führt an, dass es in dieser Stadt viele Singlehaushalte gibt (39,2 Prozent, also 9,7 Prozent mehr als bundesweit) und mit 9 Prozent mehr Menschen arbeitslos sind als in den meisten deutschen Städten. Besonders weist die Deutsche Post aber darauf hin, dass die Berliner mit 20,2 Prozent einen größeren Teil ihres Einkommens für die Miete ausgeben als überall sonst.

Das Problem an Umfragen wie diesen: Wer genau wurde da eigentlich befragt? In einer Umfrage der Humboldt-Universität aus dem Jahr 2017 kommen die Autoren zu einem völlig anderen Ergebnis. Laut diesen geben die Berliner noch viel mehr für ihre Miete aus – 27,2 Prozent des Einkommens –, liegen damit bundesweit aber nur an 26. Stelle. Die fünf teuersten Städte waren damals Bonn, Neuss, Köln, Düsseldorf und Bremen. Wie es zu diesen krassen Abweichungen kommt, darauf hatte die Deutsche Post bis zum Redaktionsschluss leider keine Antwort.

Wer dies liest, der wird vielleicht zweifelnd fragen: Warum müssen in diesen Studien eigentlich immer auch die Zahl der Arbeitslosen und die der Singlehaushalte genannt werden? Wer kann eigentlich beweisen, dass Singles und Arbeitslose so viel unglücklicher sind? Vor Kurzem erst hieß es in einer dritten Studie, dass Menschen in der sogenannten Rush Hour des Lebens, wenn sie Karriere machen und gleichzeitig Kinder bekommen, am unglücklichsten sind.

Ohne esoterisch klingen zu wollen: Das kleine, arme Land Bhutan im Himalaja, in dem noch immer 70 Prozent der Menschen Bauern sind, gilt als eines der glücklichsten der Welt – sein König hat einmal gesagt, ihm sei das Bruttoinlandsglück seiner Untertanen wichtiger als das Bruttoinlandsprodukt. Man kann es aber auch einfach mit dem genialen Heinrich Heine halten, dessen Gedicht „Das Glück ist eine leichte Dirne“ zum Abschluss dieses Artikels zitiert werden soll: „Das Glück ist eine leichte Dirne, / Und weilt nicht gern am selben Ort; / Sie streicht das Haar dir von der Stirne, / Und küßt dich rasch und flattert fort.“

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