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Susanne Messmer hat jetzt den SalatSchnittlauch so hoch wie Schilf

Das Erste, was der zwölfjährigen Tochter und dem siebenjährigen Sohn nach mehr als vier Wochen Abwesenheit im heimischen Garten in der Vorstadt einfällt, sind die Kinderbücher vom Räuber Grapsch. Die kürzlich verstorbene Autorin Gudrun Pausewang ist eher für ihre düsteren Anti-AKW-Kinderbücher bekannt geworden. Beim Räuber Grabsch blieb Pausewang zwar ihrem Ökothema treu, sie scheint die Figur aber eher als heiteres Kontrastprogramm geschrieben zu haben – sehr zum Vergnügen der Tochter und des Sohns, die sich besonders über die deftige Sprache und die Fäkalwitze amüsierten.

Denn Räuber Grapsch ist ein Mann mit außergewöhnlichen Körpermaßen und Essgewohnheiten, der dazu in einer reichlich dysfunktionalen Familie groß geworden ist und es daher vorzieht, ein lustiges Leben in seiner Räuberhöhle im Wald zu führen. Doch eines Tages zieht eine sehr kleine, aber resolute Frau bei ihm ein und beginnt sofort, sich nach alternativen Einnahmequellen umzusehen. Zunächst melken sie die Meerschweinchen, und dann bauen sie ein Klomobil, um damit den Garten zu düngen.

Und hier sind wir beim Thema: Das, was die Tochter und der Sohn beim Wiedersehen mit unserem Zuhause erinnern, ist Grapschs Garten – nur, dass es bei uns nicht am Biodünger liegt, sondern am ersten verregneten Sommer, den wir seit dem Umzug vor drei Jahren an diesem Ort erlebt haben. Wie bei Grapsch spinnen die Bohnen das Hochbeet ein. Überall stehen drei Meter hohe Sonnenblumen herum, die wir nicht gesät haben. Die Gurken und die Zucchini sind so groß wie Rübezahlkeulen, der Schnittlauch so hoch wie Schilf, das Kraut der Möhren hat sich zum Wald verdichtet und an den Kompost ist kein Rankommen mehr, so überwuchert ist er.

Die Welt hat selten dümmere Gärt­ne­r*in­nen gesehen. Zuerst tun sie alles, um ihren Garten gegen den Klimawandel zu rüsten, setzen und säen ausschließlich Pflanzen, die gut mit Hitze und Trockenheit zurecht kommen. Setzen und säen auch sehr, sehr viele davon, weil die meistens trotzdem nichts werden. Und dann installieren sie auch noch eine automatische Bewässerungsanlage, die man aus der Ferne nicht abstellen kann. Laut Nachbarn hat es in der Gegend in diesem Monat über 300 Liter pro Quadratmeter geregnet. Normal sind weniger als 80.

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