: Susanne Albrecht in Ost-Berlin verhaftet
■ Die ehemalige RAF-Frau wird beschuldigt, 1977 an der Ermordung des Bankiers Ponto beteiligt gewesen zu sein / Sie gilt als Aussteigerin aus der militanten Szene und lebte seit 1980 als DDR-Bürgerin in Ost-Berlin / Bundesanwaltschaft fordert Auslieferung / Schäuble gratuliert
Berlin (taz) - Dreizehn Jahre nach dem RAF-Anschlag auf den Bankier Jürgen Ponto in Oberursel ist am Mittwoch nachmittag die 39jährige Susanne Albrecht als mutmaßliche Tatbeteiligte in Ost-Berlin festgenommen worden. Ponto war am 30.Juli 1977 bei dem vermutlich als Entführung geplanten Anschlag in seiner Wohnung erschossen worden. DDR-Innenminister Peter -Michael Diestel (DSU) bestätigte die Festnahme gestern nachmittag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Laut Diestel lebte Susanne Albrecht seit 1980 „mit Wissen einer gewissen Behörde“ unter dem Namen Ingrid Jäger in der DDR. Damals sei sie mit dem falschen BRD -Paß aus der CSSR eingereist. Sie wurde eingebürgert, heiratete und hat mit ihrem Mann ein Kind. Susanne Albrecht arbeitete als Chemielaborantin und war in dieser Funktion in den vergangenen zwei Jahren im Ausland tätig. Am vergangenen Sonntag sei sie mit ihrer Familie nach Ost-Berlin zurückgekehrt und habe sich schließlich am Mittwoch in ihrer Wohnung im Stadtteil Marzahn ohne Widerstand festnehmen lassen. Sie habe keine Waffen besessen und inzwischen ihre wahre Identität zugegeben. Unklar blieb im Verlauf der Diestel-Pressekonferenz, woher der entscheidende Hinweis auf „Frau Jäger“ kam. Ein Sprecher des Diestel-Ministeriums hatte zuvor erklärt, es sei möglich, daß weitere Festnahmen folgen könnten.
Susanne Albrecht steht unter Kennern der Szene seit Jahren ganz oben auf der Liste der RAF-AussteigerInnen. Dahingehend äußerte sich unter anderem der nach sechzehn Jahren Haft entlassene ehemalige RAF-Gefangene Klaus Jünschke. Bisher hatte es stets geheißen, sie habe im Nahen Osten ohne weiteren Kontakt zur militanten Szene gelebt. Auch das seit 1987/88 laufende sogenannte „Aussteigerprojekt“ des Kölner Verfassungsschutzes soll nicht zuletzt Susanne Albrecht im Auge gehabt haben.
Das hinderte den Bonner Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern nicht, die Festnahme als „hervorragenden Erfolg der wirkungsvollen Zusammenarbeit der Polizei der beiden Teile Deutschlands“ zu feiern. Diestel und Schäuble hatten bereits beim ersten Besuch des Ostberliner Innenministers in Bonn eine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus ins Leben gerufen. Die Gratulation Schäubles erreichte die Nachrichtenagenturen gestern nachmittag, noch bevor Diestel in Ost-Berlin die Festnahme bestätigen konnte.
Auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zeigte sich auf dem laufenden und erwartet die „baldige Überstellung der Beschuldigten“ an bundesdeutsche Behörden. Sie hatte schon am 4. Mai bei der Generalstaatsanwaltschaft der DDR ein Fahndungs- und Festnahmeersuchen gestellt. Gestern wurde Susanne Albrecht dem Haftrichter im Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte vorgeführt. Über ihre Auslieferung soll innerhalb einer Woche entschieden werden. Dem DDR -Generalstaatsanwalt scheint die Auslieferung unter anderem als unproblematisch, weil die Einbürgerung unter falschem Namen erfolgt sei. Susanne Albrecht gelte deshalb weiter als Bundesbürgerin.
gero/wg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen