Supermärkte boykottieren Zeitschriften: Kein Bauer bei Aldi
Es geht nicht um Jogurt, sondern um Presse: Supermärkte im Norden boykottieren Grosso-Ausstieg des Bauer-Verlags.
Was tun Sie, wenn Ihr Supermarkt oder Lieblingsdiscounter Ihre favorisierte TV-Zeitschrift nicht im Regal hat: gar keine Zeitschrift kaufen? Zu einem ähnlichen Titel greifen? Oder mit vollen Tüten in den nächsten Laden latschen? Über solche Fragen muss die Bauer Media Group (TV 14, Bravo) nachdenken. Die Supermarkt-Ketten Aldi, Coop Schleswig-Holstein (Sky) und Famila sowie zahlreiche Einzelhändler in den Presse-Auslieferungsgebieten Stade und Elmshorn führen derzeit nämlich keine Produkte von Bauers Pressevertrieb Nord (PVN).
Hintergrund ist die Entscheidung des Verlags, den alteingesessenen Grossisten Grade und Mügge - die als Zwischenhändler zwischen Verlagen und Einzelhandel fungieren - nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit zu kündigen und mit dem verlagseigenen Pressevertrieb von Hamburg in den Hamburger Speckgürtel zu expandieren. Viele Kritiker deuten die Maßnahme als Angriff auf das Grosso-Pressevertriebssystem (taz berichtete) an sich, auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sieht Bauers Do-it-yourself-Strategie mit Besorgnis.
Seit Anfang März gibt es in den Gebieten nun jeweils zwei Grossisten, die Kioske, Supermärkte oder Tankstellen mit Zeitungen und Zeitschriften beliefern: Bauers PVN bringt Bauers Objekte in die Läden, die angestammten Firmen liefern den Rest. Zu kompliziert, sagen Aldi & Co. - und lassen sich deshalb nur von Grade respektive Mügge bestücken. Das sogenannte Doppel-Grosso ist den Supermärkten zu aufwändig, weil sie die nicht verkauften Exemplare in zwei verschiedenen Paketen zurückschicken müssen: TV 14 müsste nämlich in einen Stapel, TV Spielfilm und Hörzu in den anderen. Dass das eine ein Bauer-Blatt ist und die anderen von Burda bzw. Springer kommen, wissen die Angestellten in der Regel nicht. Das Wirrwarr geht den für das Pressesortiment zuständigen Supermarkt-Managern schon im Grossogebiet Hamburg auf die Nerven, wo Bauer schon länger solo unterwegs ist. Sonst ist in Deutschland - mit Ausnahme von Berlin - traditionell jeweils ein Grossist für ein bestimmtes Gebiet zuständig.
Dass Bauers Kunden nun fremdgehen, glaubt Heribert Bertram, im Verlag Leiter des Bereichs Handel, nicht. Die Leser von Bauers TV-Blättern etwa seien "hochloyal", und zu Bravo gebe es sowieso "keine Alternative". Insgesamt sei das Problem "überschaubar". Unter den derzeitigen Nicht-Bauer-Läden seien auch "Landbäckereien" mit verschwindend geringem Umsatz. Dass derzeit aber auch 51 Aldi-Filialen keine Bauer-Produkte führen, kann dem Verlag kaum egal sein.
Wie groß das Problem ist, hängt letztlich davon ab, wie man rechnet. In Grossisten- und Handelskreisen heißt es, in beiden Gebieten hätten bisher 750 Einzelhändler Bauer-Titel angeboten (ohne Läden, die nur Zeitungen verkaufen), jetzt aber nur noch zirka 540.
Im Verlag operiert man mit anderen Statistiken. Zudem, sagt Bauer-Manager Bertram, könne man "einen klassischen Markenartikel wie das Pantene-Shampoo ja auch nicht in jedem Laden" kaufen. Der Mann muss es wissen, schließlich war er vor seiner Zeit bei Bauer bei Procter & Gamble.
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