Suizidankündigungen auf Twitter: „Niemand kann mich aufhalten“

Hilferuf oder makaberer Scherz? Immer wieder kündigen Menschen auf Twitter ihren Selbstmord an – und suchen vor allem Aufmerksamkeit.

Kann eine Plattform wie Twitter zur Suizidprävention dienen? Bild: imago

BERLIN taz | „Ich werde Tabletten nehmen und mich selbst töten. Niemand kann mich aufhalten.“ Ende August schreckte die Polizei in Toronto auf, weil sie auf Tweets der Nutzerin @ButerasCandiess aufmerksam gemacht worden war, die mit einem Countdown ihren Tod ankündigte.

Zahlreiche andere Nutzer hatten bis dahin erfolglos versucht, sie umzustimmen. Erst als die Nutzerin vom Polizeieinsatz hörte, gab sie ihre Twittermeldungen als Scherz zu erkennen. Ihr sei es darum gegangen, mehr Abonennten zu bekommen, gab sie in den darauffolgenden Tagen zu.

Viele Twitter-Nutzer zeigten sich empört, auch vor dem Hintergrund, dass @ButerasCandiess in ihren Suizid-Tweets immer wieder die amerikanische Sängerin Ariana Grande erwähnte. War das Ganze vielleicht nur eine makabere Promotion für das neue Album von Grande?

Zum zehnten Mal jährt sich an diesem Dienstag der Welt-Suizid-Präventionstag, der von der Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufen wurde. Die WHO begründet die Ausrufung dieses Aktionstages damit, dass Suizid eines der größten Gesundheitsprobleme der Welt darstelle. Jährlich nehmen sich rund eine Million Menschen das Leben.

Trotz solcher Fehlalarme rät der Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention Deutschland Andreas Meyer grundsätzlich Tweets ernst zu nehmen, die auf einen bevorstehenden Selbstmord hinweisen. „Jeder hat da eine moralische Pflicht zu reagieren. Entweder durch den Versuch, den Nutzer umzustimmen oder indem er die Polizei informiert.“

Suizid sei zwar keine Straftat, allerdings bestehe akute Lebensgefahr, sodass die Polizei verpflichtet sei, dem Hinweis nachzugehen. Oft gilt dabei der Paragraf 34 im Strafgesetzbuch als Rechtsgrundlage. Demnach ist eine Tat gerechtfertigt, wenn sie Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre oder Eigentum abwendet. „Damit bekommen wir auch Informationen von Providern, um Nutzer ausfindig zu machen“, erklärt Meyer.

„Menschen, die einen Suizid auf einer Plattform wie Twitter ankündigen, zeigen vor allem, dass sie Hilfe brachen“, sagt Diplom Psychologe Georg Fiedler, stellvertretender Leiter des Therapiezentrums für Suizidgefährdete in Hamburg. Vor allem bei jungen Menschen sei so ein virtueller Hilferuf sehr verbreitet. Mit anderen Menschen persönlich zu sprechen, falle Jugendlichen oft schwer. Um Hilfe und Gleichgesinnte zu finden, scheine das Web der passendere Ort zu sein.

Auch Fiedler rät dazu, solche Ankündigungen ernst zu nehmen. „Schon die direkte Kontaktaufnahme kann im Ernstfall Erleichterung für den Betroffenen bedeuten. Allerdings muss man sich für diesen Austausch Zeit nehmen.“ Zusätzlich sollte immer die Polizei informiert werden, die dann weitere Maßnahmen ergreifen könne.

Demi Moore verhinderte Selbstmord

Dass allein die Reaktion von anderen Twitter-Nutzern oder der Polizei von einem Selbstmord abhalten kann, zeigt ein prominenter Fall aus dem Jahr 2010. Über Twitter erhielt die Schauspielerin Demi Moore den verzweifelten Tweet eines jungen Mannes, der ankündigte, sich umzubringen. „Rufst du wirklich um Hilfe?“, fragte Moore zurück und übermittelte den Satz an mehr als 2,5 Millionen Abonnenten.

Als der Junge mit „Ja“ antwortete, schritt die griechisch-kanadische Schauspielerin und Regisseurin Nia Vardalos ein, die die Tweets verfolgte. Sie alarmierte ein Suizid-Präventionszentrum, das mit der Hilfe der Polizei dafür sorgte, dass dem jungen Mann geholfen wurde.

Trotz solcher Fälle ist sich Fiedler jedoch sicher, dass eine Kommunikationsplattform wie Twitter nicht die persönliche und professionelle Hilfe ersetzen kann.

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