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Süße Blondine oder Birgitta    ■ Von Fanny Müller

Ich war gerade dabei, einen Artikel über Bekanntschafts- und Heiratsanzeigen zu schreiben, und hatte bereits Recherchen angestellt, d. h., mein Arbeitszimmer lag voll mit diversen Hamburger und nationalen Zeitungen, aber schön in Stapeln geordnet. Da kam Birgitta reingeschneit, die immer dann kommt, und zwar unangemeldet, wenn man sie wirklich nicht gebrauchen kann. Das sage ich ihr dann regelmäßig, aber ebenso regelmäßig hält sie es für einen meiner Späße. Das ist der Nachteil, wenn man als komische Alte bekanntgeworden ist.

Nachdem sie den ersten Stapel durcheinandergebracht hat, pflanzt sie sich an meinen Arbeitsplatz und nimmt auf der Stelle die Lektüre in Angriff. „Ey, kuckma der da, glaubst du, der wär' was für mich?“ „Wenn er gleich vorbeikommt und dich abholt, dann ja“, erwidere ich. Birgitta muß herzlich lachen. Sie glaubt, daß ich schon wieder einen Witz gemacht habe. Wenn ich wirklich einen mache, dann versteht sie ihn allerdings nicht. Als ich vor einigen Monaten mehrere Wochen im Krankenhaus verbracht hatte und sie mich nach meiner Genesung anrief, um ein Treffen zu vereinbaren, sagte ich aus Spaß, daß wir uns vielleicht nicht erkennen würden, da ich lange nicht beim Frisör gewesen sei. Sie schlug dann gleich vor, ein Erkennungszeichen auszumachen.

„Gute Idee“, sagte ich, „drei lange braune Töne mit der Hecklaterne.“ Langes Schweigen am Telefon, dann Birgitta: „Töne können keine Farbe haben.“ Ich: „Birgitta! Der Spruch ist von Detlef!“ „Was fürn Detlef?“ Detlef ist ihr geschiedener Mann. Ich: „Der war doch Leutnant bei der Marine!“ „Na – und?“ „Bei der Marine sind sie analfixiert!“ „Ach ja?“ – Da gab ich's auf. Birgitta legt die Füße auf meinen Schreibtisch: „Kannst du nicht mal eben 'n Kaffee ...?“ Während ich in der Küche das Wasser aufsetze, höre ich sie nebenan schnaufen und kleine Schreie ausstoßen. „Das glaubst du nicht: Sylvia, 19 Jahre, wunderhübsch, häuslich und kinderlieb, möchte nach einer schweren Enttäuschung einen ehrlichen Handwerker verwöhnen. – So was gibt es doch gar nicht.“

Ich teile ihr mit, daß solche Anzeigen von Instituten ausgedacht werden. „Und das ist erlaubt?“ Ich überlege einen Augenblick, ob ich ihr meinen für solche Gelegenheiten bereitgehaltenen Vortrag über die freie Marktwirtschaft und deren Sinn und Blödsinn halten soll, bringe aber statt dessen den Kaffee. Birgitta blättert immer noch: „Stück Kuchen hast du nicht zufällig da? – Nein, keinen Zucker, ich mach' gerade 'ne Diät – hör mal – könnte ich das sein? – Du süße Blondine im braunen Mantel, die mir neulich am Bahnhof Zoo so nett zugelächelt ...“ „Seit wann bist du blond?“ Birgitta räumt ein, daß sie nicht direkt blond sei – man kann sie ohne Übertreibung rabenschwarz nennen – und auch keinen braunen Mantel habe, aber ihr dunkelblauer könne bei entsprechender Beleuchtung für braun ... „Und wann warst du das letzte Mal in Berlin?“ Okay, vor zwei oder fünf Jahren, dann sei sie eben nicht gemeint, hätte aber gut sein können, und wenn ich ihr alles vermiese, wie ich das schon in der Schule immer gemacht habe, dann ... geht sie nicht etwa, wie ich einen Moment lang hoffe, sondern greift zum nächsten Stapel. Der Tag ist praktisch für mich gelaufen.

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