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Sündenböcke-betr.: "Was macht Fremdenhaß ohne Fremde?" von Henryk M. Broder, taz vom 13.10.92

betr.: „Was macht Fremdenhaß ohne Fremde?“ von Henryk M.Broder, taz vom 13.10.92

Ende der siebziger Jahre hatte ich als Werkstudentin Gelegenheit, mitzubekommen, gegen wen sich der Haß richtet, wenn keine Ausländer als Sündenbücke zur Verfügung stehen. „Itaker“ war schon kein Kampfbegriff mehr, „Kanaken“ gab es noch nicht. Zu Ohren kam mir aber der blanke Haß auf die – deutschen – Sozialhilfeempfänger, mit verführerisch authentisch klingenden Berichten, was diese Leute alles „auf Kosten des Steuerzahlers in den Hintern geschoben“ bekommen.

Henryk M.Broder mag also seine Hoffnungen fahren lassen, durch die Beseitigung eines Sündenbockes den Haß auf „die da oben“ richten zu können. Der Haß richtet sich immer auf die noch Ärmeren, die den etwas besser Gestellten vorführen, wo sie mal landen können, und die zugleich stumm und durch die körperliche Präsenz vielleicht auch aufdringlich die Frage des Teilens und des Abgeben-wollen stellen.

Übrigens: Selbst wenn Broders Wunschtraum sich erfüllen und der gleiche explosive Haß Finanzämter und Polizeipräsidien treffen würde, könnte ich einem solchen Modell gesellschaftlicher Auseinandersetzung nicht zustimmen. Unabhängig von ihrer Intention kann diese blinde und brutale Gewalt nicht zu einem gesellschaftlichen Zusammenleben führen, in dem mir wohl wäre. Inge Ludwig, Berlin

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