piwik no script img

Südwest-Grüne zur BundestagswahlMit Realo-Duo in den Wahlkampf

Parteichef Özdemir gewinnt bei den Südwest-Grünen die Abstimmung gegen den Parteilinken Schick. Kerstin Andreae ist auf dem ersten Listenplatz.

Ein erleichterter Bundesvorsitzender mit Ehefrau. Bild: dapd

STUTTGART taz | Mit zwei Smartphones in der Hand steht Pia Castro strahlend in der Böblinger Kongresshalle. Vor ihr sitzen die Delegierten, direkt in der Reihe vor ihr auch ihr Mann und Parteichef Cem Özdemir. „Ich habe jetzt die schöne Aufgabe und erhalte die Glückwünsche“, sagt sie.

Während sich Özdemir selbst nach außen hin stets betont gelassen gegeben hatte, verrät die Freude und Erleichterung seiner Frau wohl am stärksten, wie groß die Anspannung vor diesem Samstag tatsächlich war – und wie stark die Angst vor einem bitteren Déjà-vu.

Auf dem Landesparteitag haben die baden-württembergischen Grünen am Wochenende ihre Landesliste für die Bundestagswahl 2013 gewählt. Özdemir, der dem Realo-Flügel angehört, wollte den Listenplatz zwei haben, der für den männlichen Spitzenkandidaten gedacht ist. Doch der Parteilinke und Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick hatte eine Kampfkandidatur um diesen Platz angekündigt und damit die Grünen in Aufruhr versetzt. Schnell wurden Erinnerungen an das Jahr 2008 wach.

Auf Anhieb gewonnen

Damals verließ Özdemir gedemütigt die Halle, nachdem ihn die Delegierten zweimal durchfallen ließen. Dieses Mal klappte es auf Anhieb. 115 von 202 Stimmen entfielen auf Özdemir, 86 auf Schick. „Es ist noch mal etwas anderes, gegen einen starken Kandidaten zu gewinnen, als ohne Gegenkandidaten mit einem womöglich schwachen Ergebnis gewählt zu werden“, sagte Özdemir der taz.

Er gehe gestärkt aus der Abstimmung hervor, so der Parteichef. „Wenn ich es nicht auf Platz zwei geschafft hätte, dann hätte das die CDU gegen mich ausgespielt. So gibt mir das Ergebnis Rückenwind für Stuttgart.“

Dort will Özdemir im nächsten Jahr das Direktmandat für die Grünen holen. Nach der gewonnenen Landtags- und Oberbürgermeisterwahl stehen die Chancen gut, dass er als Wahlkreisabgeordneter in den Bundestag einzieht.

Verlierer fallen weich

Auch der unterlegene Schick kann der Abstimmung etwas Gutes abgewinnen. „Meine Themen sind dadurch gestärkt worden“, sagte er.

Zuvor hatte sich die Realo-Frau Kerstin Andreae den ersten Spitzenplatz auf der Landesliste gesichert. Sie hatte sich mit 15 Stimmen Vorsprung gegen die Parteilinke Sylvia Kotting-Uhl durchgesetzt. Aufgrund der Kampfkandidaturen wurde zuvor dafür gesorgt, dass die jeweiligen Verlierer weich fallen und auf jeden Fall Platz drei und vier bekommen.

„Wir haben ein ausgewogenes Spitzenduo“, sagte die Staatsministerin und frühere Landesparteichefin Silke Krebs. Auch Schick und Kotting-Uhl hätten ein „herausragendes Ergebnis“ eingefahren. „Platz drei und vier ist keine schlechte Startbasis. Da stehen alle gut da.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • F
    Frank

    Vor allem das Beharrungsvermögen über mehrere Jahrzehnte vor allem in der Frage des Atomstroms führte dazu, dass die Grünen als die glaubwürdigste Partei galten.

     

    Doch dank Özdemir & Co ist die Glaubwürdigkeit dahin.

    Heute lassen die Grünen die Atomstrom-Gegner strafrechtlich verfolgen.

     

    Die Bundesregierung einigte sich am 30. Mai auf einen Atomausstieg bis 2022; dann soll der letzte Kernreaktor vom Netz gehen. Ein entsprechendes Gesetz wurde am 30. Juni 2011 im Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet.

    Außer der Bundestagstags-Fraktion der Linkspartei hatten alle Parteien (auch die Grünen) bereits im Vorfeld ihre Zustimmung angekündigt.

    Nur die Linkspartei forderte einen schnelleren Ausstieg.

    https://www.die-linke.de/partei/dokumente/programmderparteidielinke/iv4wieerhaltenwirnaturundgesellschaftsozialoekologischerumbau/klimaschutzundenergiewende/

  • R
    rainer@web.de

    @Celia

    "Es ist nur zu lesen, daß er einen Privatkredites über 80.000,00 DM vom PR-Berater Moritz Hunzinger angenommen hat und durch die private Verwendung dienstlich erworbener Bonus-Meilen bekannt wurde und seine Ämter niederlegen mußte."

     

     

    Das ist doch ganz egal.Schauen Sie sich doch Herr Schäuble an...ich oder Sie ..wir würden gesiebte Luft atmen nach dem was der Mann alles veruntreut hat)

    Aber Sie sehen was dem Mann geworden ist! Noch Fragen?

     

    Zum Thema Atlanic Brücke:Da sind noch einige andere prominente" Grüne dabei.Bei den Bilderberger waren einige dieser Herrschaften übrigens auch!

     

    Ich habe es aber schon aufgegeben. In diesem Land gibt es ohnehin keine Gerechtigkeit mehr.Die TV Medien entpuppen sich immer mehr zum schwarzen Kanal

    (ehemaliger Propaganda Sender der DDR).Und die schreibende Zunft wundert sich das die ersten Zeitungen Pleite gehen...weil einer vom anderen die Lügen abschreibt und verbreitet ..ohne einmal auch nur zu hinter fragen!Ganz DDR Like halt!Woher kommt das nur????

    PS:Bin mal gespannt ob das durch die Zensur geht!

    Glaube eher nicht! Gruß

  • P
    Philipp

    Der Artikel, liebe Nadine, bestätigt meinen Eindruck, das es nicht mehr um unterschiedliche politische Inhalte zwischen den linken Grünen und den Realos geht, sondern nur noch darum, wer die meisten lukrativen Posten für Macht und Einfluß, zur persönlichen Versorgung, sammelt.

     

    Aber Unterschiede sind zwischen den Flügeln sowieso nicht mehr zu bemerken, seitdem alle gemeinsam für die Merkel-Poltik stimmen.

    Das war am Freitag zu der unverantwortlichen Griechenland-"Hilfe" so, die nur den Banken und den Spekulanten hilft, das war am Donnerstag so, wo alle Grünen-Abgeordneten für die Strafverfolgung der Atomkraft-Gegner stimmten.

     

    Es sollte vielleicht von real zwei rechten Realo-Flügeln gesprochen werden: den Linken des rechten Flügels und den Rechten des rechten Flügels.

     

    Aber auch die Trennung von Parteiamt und Mandat spielt bei unserer Partei ja schon lange keine Rolle mehr.

  • L
    Lydia

    "Außerdem gehört Özdemir zu den Unterzeichnern eines von der neokonservativen US-amerikanischen Denkfabrik PNAC veröffentlichten Offenen Briefes an die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von NATO und EU gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin (Konservative reaktionäre Amerikaner sind "größere Menschenrechtler" als Putin).

    Weiterhin ist er Mitglied der Atlantik-Brücke (mit dem Ziel gegründet, eine wirtschafts-, finanz-, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen der Siegermacht USA und der westdeutschen Bundesrepublik zu schlagen) und des Beirats der Atlantischen Initiative."

     

    Unser Özdemir macht gemeinsame Sache mit jenen, die

     

    die ständig weitere wahnwitzige Hochrüstung der USA mit atomaren, bakteriologischen & chemischen Massenvernichtungswaffen zu verantworten haben,

     

    die Todesstrafe in den USA verteidigen,

     

    die ihren nationalen Minderheiten bis heute unterdrücken,

     

    die in Guantanamo seit 10 Jahren nicht verurteilte Bürger anderer Staaten unter grausamen Bedingungen wegsperren & "Geständnisse" erfoltern,

     

    die ihren Geheimdienst zur Vorbereitung von Kriegen in aller Welt nutzen, und diese dann in die Steinzeit zurückbomben,

     

    schlimmste Umweltverbrechen begehen,

     

    die zum wiederholten Mal die Verursacher weltweiter Wirtschafts- und Finanzkrisen sind,

     

    die etliche Länder unterstützen, in denen alle Menschenrechte tagtäglich verletzt werden,

     

    die an der Grenze der USA zu Mexico einen über 1.125 Kilometer langen Grenzwall errrichtet haben, an dem jährlich 250 - 500 Menschen erschossen werden.

    Amnesty International kritisierte den Bau

    und der mexikanische Präsident verglich den Ausbau der Grenzanlagen mit der Berliner Mauer.

     

    All das ist für unseren Özdemir kein Grund, auch nur jemals eines dieser unzähligen Verbrechen der USA zu kritisieren.

    Er setzt sich lieber an einen Tisch mit den dafür Verantwortlichen und kritisiert die Gegner der USA wie Rußland für ihre Politik.

     

    Er sieht die Splitter im Auge der Anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge.

  • A
    Arne

    Die Weichen für schwarzgrün sind damit endgültig gestellt. Fand nur die Wahl statt? Keine Kandidatenbefragung? Was sagten Özdemir und Castro zu schwarzgrün?

  • C
    Celia

    Die Grünen sind ja genauso wie die Partei Die Linke:

     

    - Glückwünsche an Castro

     

    - Die Grünen sind ein Familienunternehmen; in der ersten Reihe Özdemir in der zweiten Reihe seine Frau

     

    Aber das Wichtigste zeichnet die Partei Die Linke positiv gegenüber den Grünen aus:

     

    Während die Grünen-"Linken" den Weg der Grünen-"Rechten", auch gerne verharmlosend "Realos" genannt, widerstandslos mittragen (so auch wieder alle Grünen am Freitag die verantwortungslose Politik der CDU/CSU/FDP-Regierung) ist die Partei Die Linke die einzige Oppositionspartei gewesen, in der alle Abgeordneten gegen das verheerende Griechenland-Paket von Merkel stimmten. Sie werden es sogar vor das Bundesverfassungsgericht bringen.

     

    Im Übrigen frage ich mich, was am Grünen-Vorsitzenden Özdemir grün ist:

     

    WIKIPEDIA und Googeln bringt keine Erkenntnisse.

     

    Es ist nur zu lesen, daß er einen Privatkredites über 80.000,00 DM vom PR-Berater Moritz Hunzinger angenommen hat und durch die private Verwendung dienstlich erworbener Bonus-Meilen bekannt wurde und seine Ämter niederlegen mußte.

    Außerdem gehört Özdemir zu den Unterzeichnern eines von der neokonservativen US-amerikanischen Denkfabrik PNAC veröffentlichten Offenen Briefes an die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von NATO und EU gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin (Konservative reaktionäre Amerikaner sind "größere Menschenrechtler" als Putin).

    Weiterhin ist er Mitglied der Atlantik-Brücke (mit dem Ziel gegründet, eine wirtschafts-, finanz-, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen der Siegermacht USA und der westdeutschen Bundesrepublik zu schlagen) und des Beirats der Atlantischen Initiative.

     

    Er ist also so Grün, das er zwar nicht "grün hinter den Ohren", aber es "faustdick hinter den Ohren" hat, demgemäß politisch also eher in die FDP oder CDU/CSU paßt.