Südafrikas neue Stadien: Weiße Elefanten für die WM
Sie sind nicht nur architektonische Schmuckstücke: Die neuen Stadien sollen auch die Gesellschaften der südafrikanischen Städte auf Dauer verändern.
KAPSTADT taz | Die Zeit der Beschimpfungen ist lange vorbei. Das WM-Stadion in Kapstadt symbolisiert längst die Schönheit dieser Fußball-Weltmeisterschaft. Es ist das ästhetische Aushängeschild der Turnierorganisatoren.
Bevor das weiße Oval gebaut wurde, hatte es noch Proteste gehagelt. Als Furunkel bezeichneten es diejenigen, die weiter mit Brandungsgeräuschen im Ohr Golf spielen wollten am Fuße des Tafelbergs, die das kleine Rugbystadion nicht dem Fußball opfern wollten. Das war die weiße Kritik am Stadion. Die schwarze Kritik war nicht minder laut. Warum man der ohnehin schon noblen Waterfront, an der die Immobilienpreise so hoch sind wie sonst nirgends in Kapstadt, noch ein Vorzeigeprojekt spendieren wollte, konnten die nicht verstehen, die die WM ins Township holen wollten.
Die Kritik ist Schwärmerei gewichen. Zu den Wahrzeichen, die die Natur der Stadt gegeben hat, dem Tafelberg, dem Signal Hill, ist ein von Menschenhand errichtetes hinzugekommen. Und ebenso wie Naturschönheiten, scheint er erhaben zu sein über jegliche Kritik. Die WM hat die Stadt verändert.
Fußballerisches Entwicklungsland
Die wahre Veränderung sei indes nicht allein optisch wahrnehmbar. Das meint Luyanda Mpahlwa. Er ist einer der erfolgreichsten schwarzen Architekten Südafrikas. In Deutschland kennt man ihn, weil er die neue Botschaft seines Heimatlandes in Berlin entworfen hat. Er berät das Organisationskomitee der WM in Fragen des Stadionbaus. "Kapstadt", sagt er, "ist immer noch eine Stadt, in der sich die Bevölkerungsgruppen so gut wie gar nicht vermischt haben."
Mit dem Einzug des Fußballsports ins noble Viertel am Wasser wird sich das ändern. Die Fußballfans aus den Townships werden sich an Spieltagen das Quartier unterhalb des Tafelbergs einfach nehmen. Für Mpehla ist der Bau des Greenpoint Stadiums daher weit mehr als bloß optische Stadtentwicklung. Fußball soll die Stadt verändern.
Doch zumindest in Kapstadt wird der Fußball so schnell nicht in der Lage sein, eine ganze Stadt zu verändern. Das erste Spiel in der Arena war ein Derby der zwei Kapstadter Erstligamannschaften FC Santos und Ajax. Zur großen sportlichen Eröffnungsshow kamen gerade einmal 20.000 Zuschauer. 68.000 hätten Platz gehabt. Südafrika ist bei aller Liebe vor allem der Schwarzen für das Kicken ein fußballerisches Entwicklungsland. Und Kapstadt verfügt über keine große Fußballtradition. Die Betreiber des Stadions, das der Stadt und dem Land 420 Millionen Euro wert war, werden sich nicht nur in der Fußballliga nach Nutzern umsehen müssen. Heute, beim Spiel Uruguay gegen Frankreich, wird das Stadion voll sein.
Mit der Seilbahn auf die Stadionspitze
Und danach? Immerhin hat sich gerade noch rechtzeitig vor dem ersten WM-Anpfiff ein privater Betreiber gefunden. Wenn das französische Konsortium SAIL/Stade de France scheitern sollte, dann werden wieder Steuergelder benötigt, um die Betriebskosten der modernistischen Arena mit ihren 503 Toiletten, 59 Eingangstoren und vier integrierten Fernsehstudios zu tragen.
Auch das WM-Stadion von Durban kann mit beeindruckenden Zahlen aufwarten. 104 Meter hoch ist der Stahlbogen, der die Arena überspannt. Mit einer Seilbahn können sich die Besucher auf den höchsten Punkt des Bogens ziehen lassen und ihren Blick schweifen lassen über das riesige Rund. Neben dem Indischen Ozean wird ihr Blick auch auf das Nachbargebäude fallen, das alte, aber immer noch voll funktionsfähige Rugybstadion der Sharks. Das ist in Privathand, altmodisch aber rentabel. Ob das neuen nach dem Anti-Apartheid-Kämpfer Moses Mabhida benannte WM-Stadion das auch werden kann, weiß niemand so ganz genau.
Sinnlose Prachtriesen
Denen, die es entworfen haben, kann das egal sein. Das Hamburger Architekturbüro GMP, das auch für die Entwürfe des Green Point Stadiums sowie der Arena in Port Elizabeth verantwortlich ist, hat dann längst seinen Profit gemacht und wird sich freuen, wenn sein Stadion noch einmal zu Ruhm kommen wird. Durban erwägt, sich für die Olympischen Spiele 2020 zu bewerben. Dann werden noch mehr Sportstätten errichtet, von denen niemand so genau weiß, ob sie im Alltag einer Stadt wie Durban gebraucht werden. Weiße Elefanten noch und nöcher könnten entstehen. Weiße Elefanten nennen sie in Südafrika sinnlose Prachtriesen der Architektur.
Für Soccer City, das größte der WM-Stadien, in dem heute das Turnier mit dem Spiel Südafrika gegen Mexiko vor über 90.000 Zuschauern eröffnet wird, gibt es derartige Befürchtungen nicht. Der alte Tempel der Fußballkultur, eingebettet in die Abraumhalden der Goldminen Johannesburgs, wird immer dann voll sein, wenn das Soweto-Derby steigt. Das runderneuerte Stadion, das mit einer neuen okkerfarbenen Hülle umgeben wurde, wird beben, wenn die Kaizer Chiefs gegen die Orlando Pirates spielen, den zwei Klubs, denen die Pflege ihrer Rivalität oft wichtiger ist, als ein Erfolg in der Meisterschaft.
Woanders in Südafrika mag Fußball noch Entwicklungsbedarf haben. In Johannesburg aber lebt er. Doch die 200 Millionen Euro, die in das Stadion investiert wurden, sollen die Metropole nicht nur als Fußballstandort promoten. Joahnnesburg sieht sich als Südafrikas Sportstadt Nummer eins. Christa Venter, als Mitarbeiterin der Stadtentwicklungsbehörde für WM-Belange zuständig, spricht auch schon über eine mögliche Olympiabewerbung Johannesburgs. Beinahe überall, wo ein neues Stadion entstanden ist, werden ganz große Träume formuliert. Südafrika soll sich verändern. Der Sport soll es richten. Die imposanten Stadionbauten sollen zeigen, dass es möglich ist.
Die Kostenexplosion
Mit der rechtzeitigen Fertigstellung gab es nirgends Probleme. Die Regierung zahlte pünkltlich die immer höher werdenden Rechnungen, wurde nie nervös, auch als die Zement- und Stahlpreise von den monopolistischen Großhändlern immer weiter in die Höhe getrieben wurden. 1,4 Milliarden Euro wurden in die Stadienprojekte gesteckt. Ursprünglich geplant hatte man mit 700 Millionen. Dass die Stadien teuurer wurden als geplant ligt auch daran, dass es den Bauarbeitern gelungen ist, mit gezielten Streikasktionen die Weltöffentlichkeit für ihr Anliegen zu sensilbilisieren.
Als die ersten Betonmischer in Johannesburg vor drei Jahren angeschmissen wurden, lag das Durchnittseinkommen eines Bauarbeiters bei 220 Euro im Monat. Jetzt werden 330 Euro gezahlt. Doch nun sind die Stadien fertig. Nur wenigen ist es gelungen, einen Anschlussvertrag für neue Projekte zu bekommen. Für die Beschäftigungsverhältnisse trifft zu, was auch für etliche der neuen Stadien gelten könnte: Nur für den Moment sind die schön.
Schülgebäude für Stadiongrundstück
So wie das Mbombela-Stadion in Nelspruit im Norden des Landes unweit des Krueger-Nationalparks. Auf das sind viele Südafrikaner deshalb besonders stolz, weil es die einzige von einen südafrikanischen Architekturbüro (R&L Architects) entworfene Arena ist. Es soll mit seinen Trägern in Griraffenform, mit seinen sich schlängelnden Aufgängen und mit den Sitzen im Zebramnuster besonders afrikanisch aussehen. Um an das Grundstück für das Stadion zu kommen, hat man den Bewohnern ein neues Schulgebäude, Elektrizität, einen Wasseranschluss und eine befestigte Straße versprochen.
Hätten sich die Anwohner nicht massiv beschwert, keines dieser Versprechen wäre eingehalten worden. Jetzt steht wenigstens der Rohhbau einer neuen Schule im Schatten des Stadions. Sie wird bald mit Leben gefüllt sein. Im Gegensatz zum Stadion. Im näheren Umfeld ist kein erst- oder zweitklassiger Fußball- oder Rugbyclub beheimatet. Ob das schmucke WM-Stadion Ausstrahlung genug hat, um das 100 Kilomter enfernte Erstligateam der Black Aces aus Witbank anzulocken, ist ungewiss. Aber das muss in diesen Tagen noch niemanden beschäftigen. Jetzt ist WM. Am 16. Juni spielt Honduras gegen Chile in Nelspruit. Nach dem 25. Juni und den Spiel der Elfenbeinküste gegen Nordkorea verlässt die WM Nelspruit schon wieder.
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