■ Ökolumne: Subventionen weg! Von Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf
Minderheiten haben es schwer in Massendemokratien. Besonders wenn sie großen Dingen im Wege zu stehen scheinen. Gegenwärtig sollen wir Bäuerinnen und die Bauern schuld daran sein, daß die Gatt-Vereinbarungen zu keinem (guten) Ende kommen, der freie Welthandel mit Nahrungsmitteln zum Erliegen kommt, die Entwicklungsländer darum darben müssen, die deutsch-französische Freundschaft aufs äußerste gefährdet ist und damit schließlich der deutsche Nationalismus fröhliche Urstände feiert. Schönen Dank.
Bevor man darangeht, deshalb den europäischen Bauern ganz abzuschaffen, hier noch ein paar Argumente:
1. Die gegen Exportbeschränkungen kämpfenden Bauern sind nicht die eigentliche Ursache für Verzögerungen im Gatt- Prozeß. Im Versicherungs- und Textilbereich und beim intel-Foto: taz-Archiv
lektuellen Eigentum (Patentierung) gibt es bei weitem größere Schwierigkeiten.
2. Gatt nützt den Entwicklungsländern wenig. Es geht nämlich nicht um freien und gleichen, also fairen Handel zwischen Erster und Dritter Welt. Es geht vielmehr um viele kleine Kopien des sogenannten Operation- Flood-Modell. Das Modell brachte Indien statt Exportüberschüsse lediglich die Holstein-Frisien-Kuh. Die verdrängt den indischen Büffel und ersetzt ganz nebenbei alte indische Subsistenzwirtschaft durch eben jene industrialisierte Landwirtschaft, die in Europa für das Bauernsterben verantwortlich ist.
Und das ging so: Die EG schickte überschüssiges Magermilchpulver und Butteröl kostenlos – merke: Was nicht exportiert werden kann, wird verschenkt – nach Indien. Die indische Regierung verkaufte das Gut an die Städter, wie es die schenkende EG vorschrieb. Der Erlös wurde in den Aufbau einer industriellen Milchwirtschaft gesteckt – mit Molkereien und Vertriebssystemen und eben der deutsch-amerikanischen Kampfkuh. Indische Kleinstbauern, deren ganze Habe oft in einem einzigen Büffel besteht, wurden ruiniert. Ein neuer Markt entstand dennoch, allerdings für die westliche Agroindustrie, mit intelligenten Maschinen, weniger intelligenten Kühen und neuen Gentech-Produkten. In Indien wird das in Europa noch verbotene Rinderwachstumshormon BST schon gespritzt.
Auch die Masse der europäischen Bauern erliegt der aggressiven Exportstrategie der EG. Es geht bei dem Subventions- und Protektionssystem der EG, in dem Gatt nur einen Mosaikstein bildet, um die Verdrängung bäuerlicher Produktion überhaupt und um die Ausdehnung des größten Kapitals, das es in Europa überhaupt gibt: das Agrarbusiness. All das ist beim einfachen Blick in den Laden weder auf dem Land noch in der Stadt zu verstehen. Warum brauchen wir einheimische Bauern, wenn wir die Produkte doch billiger von Bauern der Dritten Welt bekommen können?
Die Antwort ist einfach: Sozial und ökologisch verträgliche Landwirtschaft gibt es am ehesten ohne die EG-Subventionitis und ohne einen Protektionismus, der nur auf die Mengen guckt, nicht aber auf das Produkt. Man gebe sich keinen Illusionen hin: Die EG produziert keine Überschüsse an Nahrungsmitteln. Ohne die 55 Millionen Tonnen Futtermittel-Importe könnten wir uns gerade so ernähren. Beide Vorstellungen sind darum falsch: Weder könnten wir mit unseren Überschüssen die hungernde Welt beglücken, noch würde die Abschaffung des Euro-Bauern in Asien irgend jemandem nützen. Die Bauernregel muß darum lauten: Rein kommt alles, was im Herkunftsland nicht gedumpt wurde und hier wie dort keine Strukturen zerstört; raus darf alles, was ein ökologisch und sozial ehrliches Preisschild trägt. Die Forderung, das Subventionssystem der EG abzuschaffen, ist deshalb radikaler als der verbale städtische Aufstand gegen die Bauern.
Der französische Bauernverband jedoch führt seine Bauern in die Irre, wenn er sie an das Subventionssystem koppelt, das in 10 Jahren die Hälfte aller Höfe in der EG ruiniert. Europas Subventionen, nicht Europas Bauern sind überflüssig. Neben jeder Erdbeere oder Kartoffel, die aus Afrika hierher kommt, steht ein Pinnchen voll Mineralöl. Guten Appetit.
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