Subventionen für Nokia: Hauptsache in der EU
Kommission sieht kein Problem bei der Verlagerung des Werkes nach Rumänien - schließlich sei einst die Produktion aus Finnland nach Deutschland gewandert
BRÜSSEL taz Die Nachrichten aus Bochum beschäftigten gestern auch das Europaparlament in Straßburg. Der Abgeordnete Martin Schulz, der der sozialdemokratischen Fraktion vorsitzt, wollte vom Kommissionspräsidenten Details erfahren. "Prüfen Sie bitte, was an der Behauptung der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin dran ist, die Verlagerung würde mit Mitteln der EU-Kommission finanziert", forderte er Manuel Barroso auf.
Der antwortete in einer ungewöhnlich scharfen Weise: "Wenn eine Verlagerung von Finnland nach Deutschland möglich ist, dann muss auch eine Verlagerung von Deutschland nach Rumänien möglich sein." Es komme darauf an, dass die Produktion nicht aus Europa abwandere. An die Adresse der Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben sagte Barroso, dass "Politiker auf allen Ebenen" den Bürgern auch die Vorteile der EU-Erweiterung erklären müssten. Deutschland profitiere von den neuen Märkten in Osteuropa, dies schaffe in Deutschland neue Arbeitsplätze.
Im Fall Nokia räumte die für Regionalförderung zuständige EU-Sprecherin ein, dass der inzwischen "Nokia-Village" getaufte Industriepark in Rumänien, wo der finnische Handyfabrikant sein neues Werk ansiedeln will, mit Fördermitteln der Europäischen Union gebaut wurde. Allerdings sei dies zu einem Zeitpunkt geschehen, als noch kein Investor in Sicht gewesen sei. Die EU habe den Bau von Straßen, Leitungen und anderer "Basisinfrastruktur" gefördert. Zudem enthielten die derzeit gültigen Richtlinien zur Strukturförderung eine Klausel, dass keine Mittel für Betriebsverlagerungen ausgegeben werden dürften. Dennoch kündigte die grüne Europaabgeordnete Helga Trüpel an, dass sich der Haushaltsausschuss mit dem Vorgang befassen werde, "um jegliches Foulspiel auszuschließen".
Vor zwei Jahren hatte die Verlagerung des Electrolux-Werkes von Nürnberg nach Polen für ähnliche Aufregung gesorgt. Wirtschaftsminister Michael Glos hatte den damaligen Ratspräsidenten schriftlich aufgefordert, "die Förderung von Betriebsverlagerungen mit Mitteln der EU-Strukturfonds und den damit einhergehenden Verlust von Arbeitsplätzen in den betroffenen Mitgliedsstaaten" zu unterbinden. Ein Beispiel für einen direkten Zusammenhang zwischen EU-Subventionen und dem Umzug eines Unternehmens konnte er aber nicht vorweisen.
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