Stuttgarter Schlichterrunde: Wirtschaftsprüfer bezweifeln Rechnung
Die Bahn hat den Bahnhofsneubau schön gerechnet, sagen Experten in der siebten Schlichtungsrunde von Heiner Geißler. Die 4,5-Milliarden-Hürde werde aber nicht gerissen.
STUTTGART taz | Die Schlichtung im Streit über das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist in die entscheidende Phase gekommen. In der von Heiner Geißler moderierten siebten Schlichtungsrunde stand das brisante Thema Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt. Der Technikvorstand der Deutschen Bahn, Volker Kefer, stellte die Kostenkalkulationen der Bahn dar, musste sich aber später von Wirtschaftsprüfern belehren lassen. Sie waren von der Schlichtungsrunde beauftragt worden, die Kostenkalkulationen genau unter die Lupe zu nehmen.
Im Mittelpunkt standen dabei vor allem die Einspar- und Optimierungspotenziale. Hintergrund ist, dass Berechnungen der Bahn im Jahr 2009 zunächst von 4,9 Milliarden Euro Baukosten ausgegangen waren – definiert ist allerdings eine Kostengrenze von 4,5 Milliarden Euro. Um im Kostenrahmen zu bleiben, hatte Bahnchef Rüdiger Grube daraufhin Einsparungen verkündet. Der Bahn blieb ein Kostenpuffer von 438 Millionen Euro.
In der Gesamtwürdigung kamen die drei Wirtschaftsprüfer jedoch zu dem Ergebnis, "dass insbesondere die Annahmen der Bahn zu möglichen Einspar- und Optimierungspotenzialen eher als optimistisch einzuschätzen sind". Auch erklärten sie, dass über die endgültigen Kosten erst nach der Auftragsvergabe an die Firmen Klarheit herrsche.
Hans-Henning Schäfer, Geschäftsführer Märkische Revision, sprach von einem "signifikanten Risiko", dass die angenommenen Preisanpassungen "nicht in voller Höhe realisiert werden können". Vor allem merkte er an, dass gewisse Kosten, wie etwa die für den Rückbau des Gleisvorfelds, nicht in das Gesamtprojekt eingerechnet, sondern in diesem Fall als eigenständiges Immobilienprojekt deklariert worden seien.
Nach ihren Rechnungen kamen die Wirtschaftsprüfer auf einen Restpuffer von 318 Millionen Euro – statt der 450 Millionen Euro, die von der Bahn genannt werden. Zwar gebe es derzeit noch keinen konkreten Hinweis, dass am Ende die 4,5-Milliarden-Euro-Grenze gerissen wird, so die Wirtschaftsprüfer. Doch die Kosten rücken noch einmal näher an die Sollbruchstelle heran.
Zudem seien weitere Kostenrisiken von der Bahn noch nicht einkalkuliert worden. Auch am Samstag könnte es für die Projektbefürworter heikel werden. Sie müssen noch einmal unter Beweis stellen, wie leistungsfähig der neue Tiefbahnhof tatsächlich sein wird.
"Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden", eine Ausstellung des Württembergischen Kunstverein Stuttgart, Schlossplatz 2, vom 28. November 2010 bis zum 9. Januar 2011
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