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Stuttgart 21Abriss hat begonnen

Freitagmorgen rollte am Stuttgarter Bahnhof ein Bagger an. Das Vordach des Nordflügels wurde abgerissen. Spontan versammelten sich Demonstranten.

Von den Abrissarbeiten wurden die Stuttgart-21-Gegner überrascht, auf diesem Schild hatten sie sich zuvor schon kreativ ausgelebt. Bild: dpa

STUTTGART taz | In Stuttgart schreiten die Baumaßnahmen am Hauptbahnhof für das umstrittene Milliardenprojekt "Stuttgart 21" weiter voran. Am Freitag gegen halb sechs morgens rollte ein Bagger an und begann damit, das Vordach des Nordflügels abzureißen. Drei Demonstranten von der Dauermahnwache, die vor dem Eingangstor zur Baustelle schliefen, wurden von der Polizei geweckt. Zwei von ihnen seien noch im Halbschlaf von der Polizei weggetragen worden, berichtete einer der Demonstranten gegenüber der taz. Es sei aber alles friedlich abgelaufen. Die Polizei war mit rund 30 Einsatzkräften vor Ort.

Der Alarm, den die Projektgegner bei Beginn massiver Bauarbeiten untereinander auslösen wollen, um spontan zu demonstrieren, wurde nicht ausgelöst. Trotzdem kamen etwa 20 Leute am Morgen spontan zum Bahnhof. Sie trommelten unter anderem mit Holzlatten gegen den Bauzaun, der vor zwei Wochen um den Nordflügel aufgestellt worden war. Seitdem hat der Protest gegen "Stuttgart 21" zugenommen

Für Freitagabend haben die Projektgegner eine Lichterkette geplant, für die sie 10.000 Menschen erwarten.

Derweil zeigte sich Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) unbeeindruckt von den bisherigen Protesten. Die Gegner sollten endlich einsehen, dass das Projekt realisiert werde, sagte Schuster im Südwestrundfunk. Statt zu protestieren, sollten sie sich an der Gestaltung des neuen Bahnhofsbereichs beteiligen. "Die Gegnerseite muss zur Kenntnis nehmen, es wird gebaut", so der CDU-Politiker.

Der oberirdische Kopfbahnhof soll mit 17 Gleisen in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof mit 8 Gleisen verwandelt werden. Zudem sollen Gleise in 33 Kilometer langen Tunnels unter der Stadt verschwinden. Weiterhin ist eine neue ICE-Trasse bis Ulm geplant. Die offiziellen Gesamtkosten belaufen sich auf 6,978 Milliarden Euro. Von Projektgegnern in Auftrag gegebene Studien kommen auf wesentliche höhere Gesamtkosten von bis zu elf Milliarden Euro.

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7 Kommentare

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  • F
    Fritz

    "Es wird nicht mehr gehört. Das liebe Kapital hat immer das letzte Wort." ist wirklich der Gipfel der Beschraenktheit. Dass das Kapital wachsen will, ist trivial. Ob man es wachsen laesst, ist eine politische Entscheidung. Das Kapital sind wir uebrigens alle. Die Demontranten haben die Lage, die schon jahrelang bekannt war, nicht rechtzeitig ernstgenommen und ihre Chance verpennt. Selber schuld!!!

  • T
    Tja

    Tja, da fällt mir nur noch eines ein:

     

    SO sieht neo-liberalistische Wirtschaftspolitik kombiniert mit Polizeistaat aus.

     

     

    Viel Spa zurück in der Zukunft!

  • H
    Hobido

    Immer fleißig gegen die eigenen Bürger regieren.Der Preis wird hoch sein wie die Umfagen andeuten.Man ist doch dieses ganze Parteienunwesen überdrüssig,welches permanent und rücksichtslos die eigenen Interessen gegen die Bürger durchsetzt.Ganz unerträglich ist dann das Geschwafel vom mündigen Bürger und das ER der wahre Regent in diesem Lande wäre.Nur Geschwätz um die Leute ruhig zu halten.

  • D
    Dani

    "Was soll das?" ist im übrigen jetzt schon mein Ausdruck des Jahres. Dickes Plus für den Seite 1 - Titel!

     

    Ist vielseitig verwendbar, sowohl im Privaten wie im Öffentlichen, und drückt diese komplexe Mischung aus totalem Unverständnis, Ungläubigkeit über die Gewichtung der Argumente, eine starke Ahnung davon haben, welche konkreten, nicht genannten Ziele verfolgt werden, dass Bewusstsein über die Hoffnungslosigkeit des eigenen Protests, die Fassungslosigkeit über das eigene Ungehörtsein und, entscheidend, das trotzdem nicht Aufgebende, Unbeugsame, verbunden mit der latenten Androhung von Widerstand in unerwarteter Weise.

     

    Hach.

  • I
    ichbinich

    Das ist ein wunderbares Beispiel das Demonstrationen nichts mehr bewegen. Egal wie viele Menschen auf die Straße gehen. Es wird nicht mehr gehört. Das liebe Kapital hat immer das letzte Wort.

  • SE
    Steinert, Eva

    Stuttgart will eine kinderfreundliche Stadt sein, aber die Schulen in Stuttgart sind sehr stark sanierungsbedürftig. Die Jahn Realschule in Cannstatt z.B. hat 130 Jahre alte Fenster die bei einem Sturm aus den Angeln geflogen sind. Manche Schulen haben uralte und stinkende WC und an Fachräumen fehlt es in jeder Schule in Stuttgart.

    Warum kann man bei solchen Problemen dann ein Projekt wie Stuttgart 21 finanzieren???

    Tolle Zukunft für unsere Jugend lernt das ganze Jahr im Dreck aber fahrt bequem einmal im Leben nach Ulm.

  • TK
    Tobias Keil

    Der Protest ist keiner sog. Linker Spinner, sondern einer der im Wortsinne ein echter Bürgerprotest ist. Den bürgerlichen Parteien wird die obwaltende Ignoranz des Bürgerwillens teuer zu stehen kommen, im massiven Verlust von Wählerstimmen!

    Einen Vorgeschmack dazu bot das Erststimmenergebnis der Bundestagswahl: CDU um die 30 Prozent, wie auch die Grünen, SPD 18 Prozent!