: Studierende „wollen nicht mehr Geld“
5.000 Jungakademiker radelten gegen die Sparmaßnahmen von Uni zu Uni. Sie forderten nicht mehr Geld, sondern eine „gerechte Umverteilung“. Resolution an Radunski übergeben ■ Von Stephanie v. Oppen
Mit grimmigen Mienen warteten gestern mittag Autofahrer hinter verregneten Frontscheiben, die meisten stellten ihre Motoren ab: Mehr als eine Viertelstunde lang gehörte die Straße Unter den Linden den Radfahrern. Etwa 5.000 Studierende der drei Universitäten und verschiedener Fachhochschulen waren unterwegs. Trillerpfeifen, Sprechchöre, Klingeln – Radau gegen die Sparpolitik des Senats, „Radeln gegen Radunski“ war die Parole. Die Route: Humboldt-Universität Berlin (HUB), Technische Universität (TU), Freie Universität (FU) und zurück zum Roten Rathaus. Auf Stickern und Plakaten hieß es nicht mehr „Unimut“ wie 1988/89, sondern „Uniwut“.
Wütend skandierte ein Redner der FU bei der Schlußkundgebung vor dem Roten Rathaus: „Der Angriff auf die Bildung ist ein Angriff auf die Demokratie.“ Seine Worte gingen im Gejohle unter, die Menge schrie nach „Eberhard, Eberhard“. Diepgen zeigte sich nicht, auch auf Radunski wartete man vergeblich. Dafür durften zwei Vertreter der StudentInnen die Absperrungen vor dem Rathaus passieren und eine Resolution überreichen, in der der Senat aufgefordert wird, geplante Finanzkürzungen und Studiengebühren zurückzunehmen. Die Sekretärin des Bildungssenators nahm das Papier in Empfang und versprach, es „weiterzuleiten“. Unterdessen beschrieb TU-Student Frank Neubeisel der Menge das triste Bild vom Studierenden der Zukunft: Zukünftig könne Otto Normalstudi nur an der Berliner „Siemens-Universität“ seinen Abschluß machen – allerdings auch nur, wenn er im Besitz einer teuren Bildungscard sei. Am „Denkmal vom unbekannten Tutor“ breche er zusammen. Der stromlinienförmige Erich Elite zucke die Schultern. Erst eine schlanke Bildung ermögliche eben eine widerstandslose Karriere.
Doch nicht nur das Schicksal der Universitäten hatten die aufgebrachten Studenten im Blick. Auch bei dieser Demonstration wurde die Solidarität mit allen anderen durch das Bonner Sparpaket betroffenen Bevölkerungsgruppen betont: „Wir wollen nicht mehr Geld. Wir wollen eine gerechte Umverteilung“, verlangte eine Rednerin der FU. „Laßt uns auch einen Fahrradkorso zur Internationalen Luftfahrtausstellung machen“, forderte sie die Menge auf. Dort würden sich alle überzeugen können: „Die Renten fliegen in die Luft, während der Sozialstaat abstürzt“.
Heute wollen die Studierenden gemeinsam mit dem „Bündnis gegen Sozialabbau“ ersteinmal „die Stadt lahmlegen: Da heißt es beispielsweise „U-Bahnfahren zum Nulltarif“ und „Einkauf mit Gutscheinen in Kaufhäusern“. Studierende der Wirtschaftswissenschaften rufen dazu auf, mit vielen Überweisungen und Abbuchungen kleiner Geldbeträge den Betrieb der Berliner Banken zu blockieren. Um 19 Uhr findet am Breitscheidplatz die Abschlußkundgebung statt.
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