Studie: Mindestlohn fehlt
Im EU-Vergleich verdienen die Deutschen mittelmäßig. Große Differenz gibt es zwischen Industrie und Dienstleistung.
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BERLIN taz Die deutschen Arbeitnehmer verdienen nicht besonders gut. Im europäischen Vergleich liegen sie nur im Mittelfeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sowie die Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag vorgestellt haben.
26,70 Euro mussten deutsche Arbeitgeber in der Privatwirtschaft 2006 pro geleistete Arbeitsstunde aufwenden. Spitzenreiter sind Dänemark und Schweden mit 32,50 Euro. Auch in Belgien (31,50) oder Frankreich (30,26) ist es für die Arbeitgeber teurer. Insgesamt liegen die Lohnkosten in acht EU-Staaten höher als in Deutschland.
Damit scheint das IMK auf den ersten Blick zu deutlich anderen Ergebnissen zu gelangen als etwa das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW), das im letzten August mit einer Studie zu den deutschen Löhnen aufwartete. Beim IW lagen die westdeutschen Industriearbeiter mit 27,87 Euro pro Stunde europaweit vorn - mehr verdienten nur die Norweger und Dänen.
Doch bei näherer Betrachtung liegen die beiden Ergebnisse nicht weit auseinander. Das IW hat nur die Lohnkosten der Industriearbeiter verglichen, während das IMK auch die Angestellten und vor allem das Dienstleistungsgewerbe berücksichtigt hat. Bei den industriellen Arbeitern und Angestellten kommt auch das gewerkschaftsnahe Institut auf Lohnkosten von 30,90 Euro pro Stunde für die deutschen Arbeitgeber. Das hat den Exporterfolg allerdings nicht geschmälert.
Während die Beschäftigten der deutschen Industrie also vergleichsweise gut verdienen, sieht es im Dienstleistungssektor eher trübe aus. Dort betragen die Lohnkosten pro Stunde nur 24,47 Euro - Platz 10 für Deutschland im EU-Vergleich. Selbst Großbritannien ist vorbeigezogen. Zudem ist die Spreizung der Lohnkosten zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungsbereich mit 20 Prozent in Deutschland ungewöhnlich hoch.
Das IMK hat vier wesentliche Gründe für diese "sektorale Spaltung" ausgemacht: In Deutschland gebe es einen ausgeprägten Lohnunterschied bei Männern und Frauen, zudem fehle ein Mindestlohn. Wegen der geringen Gewerkschaftsbindung könnten in vielen Branchen keine höheren Gehälter durchgesetzt werden, und schließlich sei die Binnennachfrage chronisch schwach.
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