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Studie zur AltersdiskriminierungAlter, Körper, Klasse

Tatjana Söding
Kommentar von Tatjana Söding

Das bisher wenig beachtete Thema Altersdiskriminierung ist eine Chance für Linke: Es verbindet unterschiedliche Arten der Benachteiligung.

Menschen werden abgewertet, wenn sie als weniger gewinnbringend angesehen werden Foto: Panthermedia/imago

A m Donnerstag hat die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman die Untersuchung „Ageismus – Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland“ vorgestellt. Auch wenn eine Studie selten einen politischen Umbruch auslöst, wäre es wünschenswert, wenn Atamans Appell eine Debatte über Altersdiskriminierung anstößt. Insbesondere im linken Spektrum, das darüber streitet, ob sogenannte Identitätspolitik mit Klassenpolitik verträglich ist. Denn der Ageismus ist eine weitere Diskriminierungsform, die aufzeigt, wie beides – Benachteiligung aufgrund der eigenen Identität und kapitalistische Ausbeutung – Hand in Hand gehen.

Oft entstehen Vorurteile, die zu Altersdiskriminierung führen, aus einer oberflächlichen Einschätzung darüber, wie nützlich eine Person im fortgeschrittenen Alter noch für eine Gesellschaft ist. Menschen, die langsamer arbeiten, mehr Unterstützung brauchen, gegebenenfalls öfter krank sind oder nicht jede technische Neuerung sofort beherrschen, werden häufig in der Arbeitswelt benachteiligt.

Menschen werden jedoch nicht erst abgewertet, wenn sie als weniger gewinnbringend angesehen werden, sondern auch dann, wenn sie zusätzliche Kosten verursachen: das Rentensystem „überlasten“ oder pflegebedürftig werden Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen Wirtschaftssystem und Altersdiskriminierung bei der Frage, welche Menschen früher altern. Häufig sind dies jene, deren Körper von jahrelanger schwerer Arbeit geprägt sind.

Für die Linke wäre eine gesellschaftliche Debatte über Ageismus eine Chance, ein Themenfeld zu besetzen, das bislang in Deutschland über Debatten des Renteneintrittsalters hinaus wenig Aufmerksamkeit bekommt. Der Kampf gegen Diskriminierung aufgrund von biologistischen Markern – wie dem Lebensalter oder dem Geschlecht – könnte so mit dem Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und gegen eine reine produktivistische Bewertung von Körpern verbunden werden.

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Tatjana Söding
ehemalige Praktikantin im Inlandsressort - jetzt nur noch frei unterwegs. Humanökologin und Mitglied der Forschungsgruppe Zetkin Collective mit den Schwerpunkten politische Ökologie der extremen Rechten in Deutschland, Ordoliberalismus, fossiler Kapitalismus und Energiepolitik.
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5 Kommentare

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  • Der Beitrag der Linken bestand bisher darin "alte, weiße Männer" als äußerst negativ darzustellen.

    Und Frauen sind da mit gemeint, schließlich sind diese ja sowas von privilegiert.

    Die ZEIT: "Sie kochen Kohlrabiblätter aus und heizen nur ein Zimmer"

    www.zeit.de/arbeit...-ruhestand-jobbing

    So hätten sich die 68er ihren Lebensabend wohl auch nicht vorgestellt.

  • Warum soll ich eigentlich ständig solidarisch mit Leuten sein, die es mit mir nicht sind?



    Als junge Arbeitnehmerin kann ich jetzt schon sagen, dass ich weniger Rente bekommen werde, als Jahrgänge vor mir, die genauso viel eingezahlt haben. Und da rechnen wir die Steuerzuschüsse für jetzige und baldige Rentner:innen mal raus.



    Sobald sich die Älteren nicht nur für ihre Absicherung interessieren (in der Breite), sondern sich auch für eine Umstrukturierung der Steuerbelastung (Vermögens- und Erbschaftssteuer z.B.) einsetzen bin ich gerne bereit mir den Schuh wieder anzuziehen. Gewerkschaftseintritt und Streikbereitsschaft in den letzten Jahren des Erwerbslebens wäre auch nett.

    • @Maxime Musterfrau:

      Ihren Kommentar lese u. verstehe ich auch so, dass er den zweiten Schritt vor dem ersten macht. Sie denken darüber nach, wem Sie ihre Solidarität geben wollen oder nicht, nennen Gründe für das eine oder andere. Und bleiben dabei auch offen, sich unter Umständen neu zu entscheiden.

      Ich denke halt, Vorurteile können solche Auseinandersetzungen, wie die Ihre schon im Vorfeld verhindern. Dass sich also die Frage "Solidarität ja oder nein" gar nicht erst stellt. Wenn ich gegenüber einem Menschen oder einer Gruppe gegenüber in der genannten Weise bereits vor-geurteilt habe, dann komme ich gar nicht mehr dazu, z.B. über Solidarität mit ihnen nachzudenken. Und eine Funktion des Vorurteils scheint mir die zu sein, dass seine Anwendung ein solches Nachdenken tunlichst verhindern soll. Denn sonst sähe man sich mit Konsequenzen konfrontiert, die gerade von der Gesellschaft vermieden werden sollen. Wenn gilt, dass alle Arbeitslosen faul sind, dann braucht mit denen auch keiner Solidarität zeigen. Insofern...ist nachdenken über Vorurteile schon "o.k.".

  • In dem 120 seitigen Dokument dieser Studie www.antidiskrimini...blicationFile&v=3) kann man sich über die Art der Fragestellung (Methodik) informieren. Dort gibt es kaum eine Frage, die so formuliert wurde, dass aus ihrer Beantwortung ein eindeutiger Rückschluss auf prinzipielle Diskriminierungsabsicht (maligne wie benevolente) des Befragten zu ziehen ist. Beispiel:



    "Von allen Altersgruppen sind mir alte Menschen am sympathischsten"



    40% stimmen da nicht zu, was aber überhaupt nicht bedeutet, das Alte ihnen nicht sympathisch sind.



    Die Umfrage zeigt letztlich auch eher das Gegenteil (6.4.2.)



    Fragen zum Gesundheitssystem wie: "Alles in allem, glauben Sie, dass alte Menschen eine finanzielle Belastung für Deutschland sind?" sind unwissenschaftlich, da sie ja schon geframed sind. Das Wort Belastung kann natürlich in zweierlei Hinsicht (miss)verstanden werden.

  • Wenn ich mir ansehe, wie das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird oder die Arbeitsschutzvorschriften bspw. bei Tönnies, sehe ich da viel zu tun. Vermutlich passiert aber mal wieder ... nix! Über eine angemessene Klimapolitik reden wir seit Jahrzehnten und passiert ist zu wenig bis hin zu Rückschritten während der Jahre von Frau Merkel!