Studie zum Alltag HIV-Infizierter: Die Diskriminierung hält an
Ein gutes Leben mit HIV ist möglich, sagt die Deutsche Aidshilfe. Doch der Umgang mit den Betroffenen hinkt der medizinischen Entwicklung hinterher.
Danach bejahten 90 Prozent der Befragten die Aussage, dass sie gut mit ihrer HIV-Infektion leben können. Drei Viertel der Befragten erklärten, dank guter Therapiemöglichkeiten gesundheitlich nicht oder nur wenig eingeschränkt zu sein.
Zugleich berichteten fast alle Befragten (95 Prozent) von mindestens einer diskriminierenden Erfahrung in den vergangenen zwölf Monaten aufgrund von HIV. Etwa die Hälfte (52 Prozent) gab an, durch Vorurteile bezüglich der HIV-Infektion im Leben beeinträchtigt zu sein.
Für die Studie mit dem Titel „positive stimmen 2.0“ wurden zwischen Mai 2020 und Januar dieses Jahres 450 HIV-positive Menschen persönlich sowie 935 Menschen mit HIV zwischen Juni und Oktober 2020 online befragt. Dabei sei auch deutlich geworden, dass Diskriminierung nach wie vor besonders häufig im Gesundheitswesen vorkomme.
56 Prozent der online Befragten machten den Angaben zufolge in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine entsprechende negative Erfahrung. 16 Prozent berichten etwa, dass ihnen mindestens einmal eine zahnärztliche Versorgung verweigert wurde. Acht Prozent passierte dies bei allgemeinen Gesundheitsleistungen.
„Menschen mit HIV können heute leben, lieben und arbeiten wie alle anderen“, erklärte Matthias Kuske, Projektkoordinator bei der DAH, bei der Präsentation der Studienergebnisse. Schwerer als die gesundheitlichen Folgen der HIV-Infektion seien für viele die sozialen Folgen: „Die gesellschaftliche Entwicklung ist langsamer als die medizinische.“
Menschen mit HIV anders zu behandeln als andere sei völlig unnötig und klar diskriminierend. „Die üblichen Hygienemaßnahmen reichen völlig aus. Unter Therapie ist HIV ohnehin nicht mehr übertragbar“, so Kuske.
Viele verheimlichen ihre Infektion
Folgen der Stigmatisierung seien unter anderem, dass Betroffene in vielen Lebensbereichen, etwa im Arbeitsleben, ihre Infektion verheimlichen würden. Dies habe zudem zur Folge, dass sich Befragte schuldig fühlten und dafür schämten, HIV-positiv zu sein. Auf der anderen Seite gaben Befragte an, dass es mit der Zeit einfacher geworden sei, den HIV-Status offenzulegen.
Zu den Forderungen der Aidshilfe zählt unter anderem eine sachgerechte Darstellung des Lebens mit HIV in den Medien und die Wahrung des Daten- und Persönlichkeitsschutzes im Gesundheitswesen.
„Unsere Untersuchung zeigt klar, dass HIV in unserer Gesellschaft weiterhin mit einem Stigma verbunden ist.“ Nötig sei deshalb eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung zu den positiven Folgen der HIV-Therapie, erklärte Sozialpsychologin Janine Dieckmann, wissenschaftliche Projektleiterin beim IDZ.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin