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Studie zu privaten KrankenkassenMieser als ihr Ruf

Privatkassen gelten als Versicherungen für Privilegierte. Einer neuen Studie zufolge bieten sie meist weniger als die gesetzlichen. Die Betroffenen merken das oft zu spät.

Viele Leistungen werden von Privatkassen nicht übernommen – von den gesetzlichen Kassen schon. Bild: dapd

BERLIN taz | Privatkassen gelten als Versicherungen für Privilegierte, die ihren Kunden mehr bieten als die gesetzlichen Kassen. Doch mit diesem Image räumt eine neue Studie nun auf: „Über 80 Prozent der Tarife der privaten Krankenversicherungen kommen an den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht heran“, sagt Claus-Dieter Gorr, Chef der Beratungsfirma Premium Circle.

Gorr wertete zusammen mit dem Kieler Gesundheitsökonomen Thomas Drabinski die Daten von 32 privaten Kassen aus, die Ergebnisse wurden am Montag in Berlin vorgestellt. Die Experten stießen auf über 200 Tarifsysteme mit über 1.500 Leistungskombinationen. „Der Markt lebt von der Intransparenz“, rügte Drabinski. Klare Preis-Leistungs-Verhältnisse gibt es nicht: So bietet etwa bei der Axa-Versicherung ein bestimmter neu eingeführter günstiger Tarif sogar mehr Leistungen als ein älterer teurer Tarif.

Die „teilweise existenziellen Leistungsausschlüsse“ erleben die Versicherten oft erst im Krankheitsfall, bemängeln die Experten. Dann nämlich, wenn die private Krankenkasse plötzlich Reha-Maßnahmen oder eine häusliche Krankenpflege nicht ohne weiteres zahlt, die eine gesetzliche Kasse ohne Probleme übernommen hätte.

Drabinski und Gorr schlagen als Maßstab für die Privatkassen 85 „Mindestkriterien“ vor. Diese sollen nach Meinungen der Experten den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen plus die Erstattung von Sehhilfen und der Versorgung durch Privatärzte. Keine der untersuchten Privaten erfüllt diese Mindestkriterien, Versicherungen wie die Union etwa verlangen aber trotz schlechter Leistungen hohe Prämien, während Unternehmen wie Signal Iduna bei niedrigeren Prämien eine bessere Leistung bieten.

Vieles als „Kann“-Leistung

Die Experten fordern zur Orientierung, nach den vorgeschlagenen 85 Mindestkriterien einen „Referenztarif“ der privaten Krankenversicherung zu bilden, der dann als „Benchmark“ für Kunden dienen könnte, den eigenen Krankenversicherungsschutz zu beurteilen. Gorr stellte dabei klar, dass der bereits existierende „Basistarif“ der Privatkassen für weniger Betuchte dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht entspricht, weil im Basistarif vieles als „Kann“-Leistung ausgewiesen wird, abhängig von der Zustimmung des Versicherers.

Die Experten wollten aber keinesfalls ein Loblied auf die gesetzlichen Kassen singen: In diesen Kassen belasteten RentnerInnen zunehmend die Bilanz, daher herrsche bei den gesetzlichen Krankenversicherungen keine Generationengerechtigkeit. Um die RentnerInnen stärker an den steigenden Kosten zu beteiligen, könnte man die Krankenkassenbeiträge der RentnerInnen erhöhen oder eine zweckgebundene Vermögensteuer für Ruheständler einführen, schlugen Drabinski und Gorr vor.

Die Studie zu den Krankenkassen wurde zu einem Drittel von den gesetzlichen und den privaten Krankenversicherungen finanziert, ein Drittel trug Premium Circle und ein weiteres Drittel Drabinskis Institut für Mikrodatenanalayse (IfMDA) bei.

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3 Kommentare

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  • M
    Martina

    Das kann ich nicht unterstützen. Also, ich bin jetzt seit Jahren in einer privaten Krankenkasse und fühlte mich immer gut versichert. Meiner Meinung nach sind die gesetzlichen Krankenkassen unberechenbar und auch nicht unbedingt günstiger. Hier kann man einfach mal Tarife vergleichen: http://www.hig-pkv.de. Wie auch immer, man muss seinen Versicherungspartner natürlich überlegt auswählen!

  • P
    Privamed24

    Die PKV-Versicherer sollten gänzlich auf das Angebot von Billigtarifen in der privaten Vollversicherung verzichten. Wer sich für die PKV entscheidet, sollte dieses nicht ais Kostengründen tun. Bei einem Wechsel in die private Krankenversicherung sollte ganz klar der Leistungsvorteil im Vordergrund stehen. Vielen PKV-Kunden sind die Lücken in ihrem Versicherungsschutz nicht bekannt. Hier kommt das böse Erwachen erst bei der Inanspruchnahme von Leistungen. Ist der Versicherte Krank, ist ein Tarifwechsel in höherwertige Tarife oftmals nicht mehr möglich.

  • O
    oranier

    "... daher herrsche bei den gesetzlichen Krankenversicherungen keine Generationengerechtigkeit. Um die RentnerInnen stärker an den steigenden Kosten zu beteiligen, könnte man die Krankenkassenbeiträge der RentnerInnen erhöhen oder eine zweckgebundene Vermögensteuer für Ruheständler einführen, schlugen Drabinski und Gorr vor."

     

    Ja natürlich, Vermögenssteuer für Millionäre und Milliardäre zwecks Finanzierung des Sozialsystems? Denkste: Vermögenssteuer für Rentner.

    "Generationengerechtigkeit"? Was soll das sein außer ein Schlagwort, um Ältere zur Kasse zu bitten? Die Rentner haben z.T. vierzig Jahre und länger den vollen Krankenkassenbeitragssatz bezahlt, ohne vielleicht während des Arbeitslebens je relevant krank gewesen zu sein. Wenn sie nun eher oder länger oder schlimmer krank werden, zehren sie vom Solidarsystem. Das ist Generationengerechtigkeit, und nicht das, was die Privaten machen: Junge Leute mit Dumping-Beiträgen anlocken und im Alter dann abzocken, wenn sie keine Möglichkeit mehr haben zur gesetzlichen Kasse zu wechseln.

    Den gilligen Rentnertarif bekommt übrigens nur, wer 90% in der 2. Hälfte des Arbeitslebens in der gesetzlichen Kasse war. Die übrigen haben allenfalls das Glück, zum Privattarif versichert zu werden. D.i. derzeit 15,5 % auf alle (!) Einkünfte, neben der Rente also auch z.B. auf Sparzinsen. Der Zuschuss von der Rentenversicherung beträgt nur einen Bruchteil der früheren 50 % Arbeitgeberzuschuss.

     

    Zur "zweckgebundenen Vermögensteuer": Rentner bekommen seit längerem Einkommenssteuer auf ihre im Schnitt ohnehin knappe Rente abgeknöpft. Wie wäre es, die zweckgebunden einzusetzen statt zur Rettung von Banken, die Rentnern kaltschnäuzig ihr Sparvermögen für zweifelhafte Anlagen abzocken?