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Studie zu multiresistenten BakterienKI gegen Krankenhauskeime

Gegen einen resistenten Keim wurde ein neuer Wirkstoff entdeckt. Zu dem Durchbruch verhalf eine künstliche Intelligenz.

Der schottische Bakteriologe Sir Fleming war einer der Entdecker des Antibiotikums Penicillin Foto: United Archives/imago

Antibiotika haben die medizinische Praxis revolutioniert. Noch bis vor rund 150 Jahren konnten Pa­ti­en­t:in­nen mit einer infizierten Wunde froh sein, wenn sie nur das verletzte Körperteil verloren – und nicht ihr Leben. Heute stoppen Antibiotika jeden Tag gefährliche bakterielle Infektionen.

Das Problem ist nur: Die Bakterien leisten zunehmend Widerstand. Durch den breiten Einsatz von Antibiotika hat die Evolution in den letzten Jahren neue, besonders aggressive Erreger hervorgebracht. Vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind sie lebensgefährlich. Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr weltweit mehr als 1,2 Millionen Menschen durch eine Infektion mit resistenten Keimen.

Wenn keine neuen Wirkstoffe entdeckt werden, steigen die Todeszahlen. Aber traditionelle Methoden zur Entwicklung neuer Antibiotika sind extrem aufwändig – und kaum lukrativ. Einige Pharmakonzerne haben sich in den letzten Jahren deshalb gänzlich aus der Antibiotikaentwicklung zurückgezogen.

Ein besonders schonungsloser Krankenhauskeim ist Acinetobacter baumannii. Der Erreger hält sich hartnäckig auf Oberflächen und zählt laut Weltgesundheitsorganisation zu den gefährlichsten antibiotikaresistenten Keimen der Welt. Der Kontakt kann Lungenentzündungen, Wundinfektionen und in seltenen Fällen Hirnhautentzündungen verursachen.

Die Studie

Forschende aus den USA und Kanada haben jetzt einen vielversprechenden Wirkstoff gegen das Bakterium entdeckt. Der Durchbruch gelang dank künstlicher Intelligenz, wie es in der neue Studie im Fachmagazin Nature Chemical Biology heißt.

Bislang nutzten Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aufwändige Screening-Methoden, um antibiotische Substanzen zu finden. Für die neue Entdeckung trainierten die Forschenden einen Deep Learning Algorithmus. Dieser prognostiziert die Struktur einer potenziellen antibakteriellen Substanz, die gegen A. baumannii wirken könnte. So entdeckte das Team den neuen Wirkstoff Abaucin.

Was bringt’s?

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Im Labor und in Experimenten mit Mäusen zeigte Abaucin bereits die erhoffte antibiotische Wirkung. Die neue Substanz gilt auch deshalb als besonders vielversprechend, weil sie sehr spezifisch gegen A. baumanii wirkt. Dadurch sinkt das Risiko, dass beim Erreger schon nach kurzer Zeit wieder eine Resistenz entsteht. Im nächsten Schritt könnte nun die Entwicklung eines neuen Medikaments beginnen.

Die Anwendungsmöglichkeiten von KI für die Antibiotikaforschung stimmen hoffnungsvoll. Die Entwicklung neuer antibiotischer Medikamente könnte auf Dauer effizienter und günstiger werden. Durch den KI-Einsatz steigen die Chancen, dass die Medizin in Zukunft auf eine Reihe fundamental neuer und vor allem wirksamer Antibiotika bauen kann.

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1 Kommentar

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  • Das funktioniert leider nur bei nicht allzu komplexen Organismen mit "archaischem" Stoffwechsel. Das Problem der zunehmenden Herbizid- und Insektizidresistenz in der Landwirtschaft (das aus denselben Gründen existiert, nämlich durch nicht sachgerechten flächendeckenden Einsatz; ja, Bt-Baumwolle/-Mais usw, damit seid ihr ganz besonders gemeint!) kann man damit nicht so gut angehen, denn dazu sind Menschen und Nutzpflanzen den Zielorganismen metabolisch zu ähnlich.

    Aber immerhin *funktioniert* es bei Antibiotika. Und das ist wirklich ein großer Durchbruch. Der aber nichts daran ändert, dass die Einsatzpraxis geändert werden muss, denn das evolutionäre Potential der Resistenzentwicklung liegt langfristig über der Fähigkeit, neue Antibiotika zu entwickeln (egal mit welcher Methode) - der "Hase" (der Krankheitserreger) muss um sein Leben rennen können, aber der "Fuchs" (wir) nur um unsere Currywurst.

    Man könnte das Dilemma aber umgehen, indem man die Dichotomie "Standardantibiotika/Reserveantibiotika" über den Haufen wirft, und *alle* Antibiotika als potentielle "Reserve" behandelt. Das Resistenzproblem ergibt sich ja erst dadurch, dass zu wenige Substanzen zu verbreitet eingesetzt werden; in *Abwesenheit* der Wirkstoffe sind die meisten Resistenzen für die Mikroben, die sie haben, eine metabolische Bürde, d.h. ein evolutionärer Nachteil.



    Die pharmazeutisch-chemische Industrie wird aber einen Teufel tun, da mitzuspielen; sie müsste vom Staat dazu gezwungen werden, ihre Produktion so weit zu diversifizieren, dass *Dutzende unterschiedliche Wirkstoffklassen* global gut verfügbar werden, statt einer Handvoll langetablierter Standardsubstanzen, mit denen man dumme Bauern fangen kann. Dann aber würde die FDP schneller angescheißert kommen, als man "Peptidyltransferaseinhibitor" sagen kann, und irgendetwas von sOziALiSmUS plärren und den Weltuntergang unmittelbar bevorstehen sehen.

    Und gegen den quasi-religiösen Wahn namens "Kapitalismus" gibt es leider kein Antibiotikum.