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Studie zu Wetterphänomen „El Niño“Christkind wird heftig

Einer Studie zufolge wirkt das Wetterphänomen „El Niño“ schlimmer als bislang angenommen. Es sei für die Gesellschaft eine existenzielle Bedrohung.

Dürre in Nicaragua, August 2014: Ab November könnte es wegen des Wetterphänomens „La Niña“ in Südamerika kaum noch regnen Foto: Oswaldo Rivas/reuters

BERLIN taz | Dieses Wetterphänomen tritt unregelmäßig, aber durchschnittlich aller vier Jahren auf: „El Niño“ bringt im Pazifik die Meeresströmungen nahe des Äquators durcheinander. Normalerweise wehen hier Passatwinde von Ost nach West und treiben so warmes Ozeanwasser von Südamerika Richtung Indonesien. Die Temperaturdifferenz zwischen östlichem und westlichem Pazifik liegt in diesem Normalzustand bei etwa zehn Grad, in der Folge muss vor Südamerika kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe nachströmen.

Im „El Niño“-Zyklus schwächeln die Passatwinde aber, der Ozean vor der Küste Perus erwärmt sich so stark, dass sich die obere Wasserschicht nicht mehr mit dem kühlen, nährstoffreichen Tiefenwasser vermischen kann. Deshalb stirbt dort das Plankton ab, was den Zusammenbruch ganzer Nahrungsketten nach sich zieht.

Der Name dieser Wetteranomalie leitet sich von „El Niño de Navidad“ ab – dem neugeborenen Christkind. Peruanische Fischer registrierten im 17. Jahrhundert erstmals, dass um die Weihnachtszeit plötzlich keine Fischschwärme mehr vor ihrer Küste waren. Dazu kamen einige andere Besonderheiten, heftigere Stürme beispielsweise, zerstörerische Regenfälle, längere, heißere Hitzewellen mit Ernteausfällen und Hunger.

Zwar legten Messdaten in den vergangenen Jahrzehnten nahe, dass die Heftigkeit von Wetterextremen wie Hitzewellen und Sturzfluten im Zusammenhang mit El Niño zugenommen haben. Wegen der komplexen Abläufe, die den El-Niño-Effekt erzeugen, konnten Klimamodelle jedoch bislang nicht belastbar voraussagen, wie die Klimaerhitzung genau auf die Passatwindschwäche reagiert.

Durchbruch der Forschung

US-amerikanischen Wissenschaftlern könnte jetzt ein Durchbruch bei dieser Frage gelungen sein: Demnach werden El-Niño-Ereignisse immer extremer, und zwar so, dass sie für die jeweiligen Gesellschaften zur existentiellen Bedrohung werden. „Wenn diese Extremereignisse häufiger werden, hat die Gesellschaft möglicherweise nicht genug Zeit, sich zu erholen, wieder aufzubauen und anzupassen, bevor der nächste El Niño auftritt“, erklärt einer der Studienautoren, Pedro DiNezio von der Universität von Colorado.

Für ihre Arbeit, die in dieser Woche im Fachblatt nature erschienen ist, blickten die Wissenschaftler 20.000 Jahre zurück, also in eine Zeit, in der die letzte große Eiszeit Europa und Nordamerika mit einem gigantischen Gletscher bedeckte. Ihre Daten gewannen die Forschenden vom pazifischen Meeresgrund aus Überresten von sogenannten Foraminiferen – winzigen Einzellern, die eine Schale aus jenen Chemikalien bauten, die es damals im sie umgebenden Meerwasser gab. So konnten die Forschenden Wassertemperaturen rekonstruieren, und wie sich El Niño während dieser kalten Periode verhielt, und dadurch auch die Genauigkeit ihrer eigenen Klimamodelle testen. Und siehe da: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre und der Intensität, Extremität und Häufigkeit zu El Niño.

Vielleicht erst seit zwei Dekaden wird in der Wissenschaft besser verstanden, dass die Auswirkungen von El Niño nicht nur lokal wirken. Beispielsweise werden dadurch die Niederschläge des indischen Monsuns intensiver, Regen in Ostafrika dagegen geringer, was dort Dürren zur Folge hat. El Niño beeinflusst die Strömungspumpe in der Antarktis und heizt die Arktis weiter auf. Deshalb gilt es in der Wissenschaft als ungemein wichtig, den Einfluss der Erderhitzung auf das Phänomen zu entschlüsseln und Prognosen treffen zu können, die ein weiterer Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre zur Folge hat. Freilich erwartet in der Wissenschaft niemand, dass Entwarnung gegeben werden kann. Die Frage ist eher: Wie stark bringt El Niño unter dem Einfluss des Klimawandels gewohnte Wettermuster aus dem Takt?

Zuletzt begann ein El Niño im vergangenen Jahr, damals sagte der Deutsche Wetterdienst einen sehr starken Anstieg der Globaltemperatur auf 1,5 Grad 2024 voraus. Das ist tatsächlich eingetreten. Und es gab einige höchst ungewöhnliche extreme Wetterereignisse, die dem Phänomen zugeschrieben werden – beispielsweise Regenfluten in der Wüste auf der arabischen Halbinsel. Die Arbeit der US-Forscher könnte helfen, künftig derartige Extreme zu qualifizieren. Oder um es mit den Worten von Studienmitautor DiNezio zu formulieren: „Jetzt, da wir verstehen, wie diese Extremereignisse entstehen, brauchen wir nur noch denWillen, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.“

Dieser Wille ist natürlich weltweit weiterhin nicht in Sicht. Aktuell ist „das Christkind“ am Abklingen, ab November könnte das Wetterphänomen in sein Gegenteil, „La Niña“, umschlagen: Dieser „Mädchen“-Effekt kehrt die Entwicklung im äquatorialen Pazifik um. Der östliche Pazifik kühlt sich sehr stark ab, in Indonesien wird dann besonders viel Regen erwartet, während es in Südamerika kaum noch Niederschlag gibt.

Auch die – ursprünglich kühlen – La-Niña-Jahre sind durch die globale Erhitzung mittlerweile wärmer geworden. Allerdings ist hier noch weniger klar, welche Folgen das für die lokalen Gesellschaften mit sich bringt.

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