Studie zu „Racial Profiling“: Rassismus per Gesetz?
Wenn die Polizei aufgrund von Gesichtszügen, Haut- oder Haarfarbe Ausweise kontrolliert, ist das rassistisch. Aber es passiert auf einer gesetzlichen Grundlage.
BERLIN taz | Teile des deutschen Polizeigesetzes verstoßen gegen elementare Grund- und Menschenrechte. Zu dieser Einschätzung kommt zumindest eine am Mittwoch in Berlin vorgestellte Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Thema „Racial Profiling“. Darin fordert der Autor Hendrik Cremer eine Überarbeitung des Gesetzes.
Von „Racial Profiling“ spricht man, wenn die Polizei allein aufgrund von Gesichtszügen, Haut- oder Haarfarbe Personenkontrollen durchführt und Ausweise kontrolliert. Cremer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Menschenrechte, beschreibt dies als eine „etablierte Praxis“ in der Polizeiarbeit. Menschenrechtsgruppen hatten diese Praxis in der Vergangenheit immer wieder kritisiert.
Cremers Fazit: Nicht das falsche Handeln einzelner Beamter, sondern der Paragraf 22 Absatz 1a im Bundespolizeigesetz sei die wesentliche Grundlage für die rassistische Kontrolle. Der Absatz erlaubt es der Polizei, Papiere zu kontrollieren, um unerlaubte Einreisen zu verhindern.
„Der diskriminierende Gehalt ist nicht offensichtlich“, sagt Cremer. Trotzdem liege eine faktische Diskriminierung vor. Das bedeute, dass die Anwendung des Gesetzes die rassistische Vorgehensweise begründe. „Dass der Vorwurf rassistischen Handelns von der Polizei oft zurückgewiesen wird, kann man verstehen,“ sagt Cremer. „Schließlich wird nach Gesetz gehandelt.“ Eine Streichung des Paragrafen sei deshalb auch im Sinne der Polizei.
Stichprobenartig und verdachtslos?
In Zügen, Bahnhöfen und an Flughäfen kann die Polizei jede Person kontrollieren, um herauszufinden, ob sie sich unrechtmäßig in Deutschland aufhält. Die Kontrollen erfolgen laut Bundespolizeigesetz stichprobenartig und verdachtslos. Wer selektiv Personen kontrollieren soll, meint Cremer, dem „bleibt daher nur, auf äußere Merkmale zu achten.“
Seine Studie kommt zu dem Schluss, dass sämtliche Gesetze mit ähnlichen Bestimmungen daraufhin überprüft werden müssten, ob sie mit Grund- und Menschenrechten in Einklang zu bringen sind. Ein weiteres Fazit: Bei der Polizei müsse Diskriminierung stärker thematisiert werden.
So fordert die Untersuchung, in der Aus- und Fortbildung von Polizisten das Wissen über rassistische Denkstrukturen besser zu vermitteln. Im letzten Jahr hatte ein Gerichtsverfahren in Koblenz wegen „Racial Profiling“ zu einer öffentlichen Entschuldigung der Bundespolizei geführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren