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Studie zu GehälternLöhne weltweit unter Druck

Die Realeinkommen in Deutschland sanken im letzten Jahrzehnt, während sie global leicht anstiegen. Doch hierzulande gibt es ein Erfolgsmodell, um Arbeitsplätze zu sichern.

Wenig Geld für harte Arbeit: Näherinnen in Albanien. Bild: reuters

Deutsche Arbeitnehmer haben wenig vom wirtschaftlichen Erfolg. Das geht aus dem am Mittwoch präsentierten Lohnbericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervor. Die Löhne wachsen langfristig weniger als die Produktivität. In der Folge komme es zu einer Umverteilung: Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen, das Einkommen der Arbeitnehmer aber sinke.

So würden Einkommensunterschiede immer größer. Im letzten Jahrzehnt waren in Deutschland die durchschnittlichen Monatsverdienste um 10,2 Prozent gestiegen, die Verbraucherpreise jedoch um 15,4 Prozent. So blieb den Arbeitnehmern unter dem Strich ein Minus.

Generell beurteilen die Autoren die Lohn- und Gehaltsentwicklung in den drei größten Industrieländern - den USA, Japan und Deutschland - als "enttäuschend". In Deutschland ging das Lohnwachstum seit 2000 sogar um 4,5 Prozent zurück.

Während der Krise hatte die Kurzarbeit weiter zu dieser Entwicklung beigetragen. "Das deutsche Modell der Kurzarbeit ist ein gutes Beispiel, um Arbeitsplätze zu sichern und so eine schnelle Erholung des Marktes zu sichern", sagt Studienautor Malte Lübker von der ILO.

Er warnt aber davor, dass es sich bei dem geringen Lohnanstieg um einen langfristigen Trend handle. Schuld an den sinkenden Realeinkommen seien neben moderaten Tarifabschlüssen in den vergangenen Jahren vor allem die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen und Teilzeitbeschäftigung, die die rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hatte.

Weltweit sind Löhne und Gehälter in den letzten Jahren unter Druck geraten. Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise haben sich die Lohnzuwächse weltweit nahezu halbiert, stellt die ILO in ihrem Bericht fest. 2009 hätten die Reallöhne im weltweiten Durchschnitt nur noch 1,6 Prozent zugelegt, 2008 sogar lediglich 1,5 Prozent. Vor Ausbruch der Wirtschaftskrise 2007 lag das weltweite reale Lohnwachstum hingegen bei durchschnittlich 2,8 Prozent.

"Dieser Bericht zeigt die andere Seite der Krise: Die Rezession hatte nicht nur dramatische Auswirkungen für Millionen von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, sondern auch für viele von denen, die ihren Job behalten haben", sagt ILO-Generaldirektor Juan Somavia. Die geringere Nachfrage aufgrund stagnierender und rückläufiger Löhne behindere nun auch die konjunkturelle Erholung.

Betroffene Länder sollten ihr Wirtschaftswachstum auf höheren Konsum der privaten Haushalte stützen, der auf Einkommen und nicht auf steigender Verschuldung basieren sollte, fordern die Autoren des Lohnberichtes. Die Wirtschaftspolitik müsse daher ihren Schwerpunkt auf Beschäftigung und angemessene Entlohnung legen. Die Autoren des Berichts verweisen auf die Bedeutung von Kollektivvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der Report zeigt zudem, dass gesetzliche Mindestlöhne die Ungleichheit in der unteren Hälfte des Lohnspektrums reduzieren können.

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7 Kommentare

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  • J
    Jürgen

    @Jan Reyberg:

     

    ²Wenn Arbeitslöhne zu schneller steigen als die Produktivität, dann kommt es zu Arbeitslosgkeit.²

     

    Das kann man auch anders sehen. Hohe Löhne führen zu hoher Kaufkraft, was in der Regel für den Konsum gut ist. Und letztendlich wieder für den Handel. Aber eines ist natürlich nicht von der Hand zu weisen: Die Industrie kann sich nicht dumm und dämlich verdienen, um das Geld dann an den Börsen zu verfeuern oder in irgendein Steuerparadies zu leiten.

     

    "Wenn Arbeitslöhne anschließend langsamer steigen als die Produktivität, dann sinkt die Arbeitslosigkeit wieder."

     

    Und wer soll sich die tollen teuren Produkte im Inland leisten können? Fehlende Nachfrage kann auch zu mehr Arbeitslosigkeit führen, da die Firmen vielleicht viel produzieren könnten, aber nichts absetzen.

     

    ²Viel wichtiger für die Gerechtigkeit ist eine geringe Arbeitslosgkeit.²

     

    Gerechter Lohn für gute Arbeit. Was bringt einem eine niedrige Arbeitslosenstatistik, wenn die Leute sich nichts leisten können und aufstocken müssen, während andererseits die Unternehmer vor lauter Geldüberfluß nicht laufen können?

     

    ²Wenn Gewerkschaften Löhne unverhältnismäßig hoch treiben, baden das letztlich diejenigen aus, die dann arbeitslos werden, weil es angesichts hoher Löhne plötzlich nicht mehr vorteilhaft für ein Unternehhmen ist sie zu beschäftigen.²

     

    Wenn ein Unternehmen es nicht schafft, soviel Gewinn abzuwerfen, den Menschen menschenwürdige Löhne zu zahlen, während andererseits die Managerkaste exorbitant hohe Boni kriegt, dann hat es es nicht verdient, zu überleben. Der Gewinn wird nämlich -was oft von "denen da oben" vergessen wird- von allen Firmenmitgliedern zusammen erwirtschaftet und nicht nur von den Chefs.

  • WW
    W. Wacker

    Das ist doch ein typisches Beispiel für "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast". Leider ventilieren die heutigen Journalisten das dann durch die Medienwelt.

     

    Diese "Studie" zählt einfach die Köpfe aller Beschäftigten, ohne eine Gewichtung. Beispiel: Mann arbeitet bei 3.800€ Gehalt, Frau in Kinderpause. Dann nimmt die Frau einen 400€ Job an. Damit sagt diese tolle Studie: 2 arbeiten für 4.200€, also ist das Durchschnittseinkommen von 3.800€ auf 2.100€ gesunken.

     

    Nur so kommt auch die Aussage zustande, dass die Löhne nur um 10% gestiegen sind, wenn faktisch die Löhne (gewichtet pro Arbeitsstunde) um 35% gestiegen sind.

     

    Hier wird also eine Polemik-Sau unreflektiert durchs Dorf getrieben. Selbstverständich sind prekäre Arbeitsverhältnisse zu verurteilen, aber DIESE Studie liefert dazu keinen fundierten(!) Beitrag.

  • JR
    Jan Reyberg

    Wenn Arbeitslöhne zu schneller steigen als die Produktivität, dann kommt es zu Arbeitslosgkeit.

    Wenn Arbeitslöhne anschließend langsamer steigen als die Produktivität, dann sinkt die Arbeitslosigkeit wieder. Wir befinden uns gerade in Phase zwei. Selbst Gerhard Schröders 3 Millionen Marke hat sich mittlerweile eingestellt...

     

    @Celsus:

    Viel wichtiger für die Gerechtigkeit ist eine geringe Arbeitslosgkeit. Wenn Gewerkschaften Löhne unverhältnismäßig hoch treiben, baden das letztlich diejenigen aus, die dann arbeitslos werden, weil es angesichts hoher Löhne plötzlich nicht mehr vorteilhaft für ein Unternehhmen ist sie zu beschäftigen.

  • C
    Celsus

    Angesichts des Aufschwungs, von dem wir ständig lesen, ist das aber ein Skandal. Die einen schwingt es ständig nur nach oben und ab der Mittelschicht nach unten wird dann immer alles nur noch ärmer.

     

    Höhere Gehälter sind aber wichtig für die soziale Gerechtigkeit. Sie sind Gebot der Fairness.

     

    Aber angeblich müssen wir ja hinnehmen, dass die Gehälter so niedrig sind, damit wir überhaupt noch unsere jämmerlichen Arbeitsplätze halten können. Arbeitsplätze, die in nicht seltenen Fällen schon eine Aufstockung durch Hartz IV erfordern. Mehr ist für Arbeitnehmer oft nicht drin, weil wir ja dann den durch die rot-grüne Budnesregierung gesenkten Spitzensteuersatz wieder anheben müssten. Das wollen doch SPD und Grüne - wie unlängst bekundet - auch heute noch nicht.

  • B
    bedem

    Kurzarbeit:

    Das ist wirklich ein großartige Instrument: Wenn das Unternehmen keine Lust hat seine Mitarbeiter zu bezahlen dann macht das eben der Staat. Ich halte dies für eine gefährliche Entwicklung, es wird massiv versucht Menschen beschäftigt zu halten, im zweifelsfall legt der Staat noch Geld drauf. Arbeit sollte nur gegen Gegenleistung erfolgen und nicht als Lebenszweck gesehen werden. Was dabei rauskommt sieht man bzw. an den Zeitarbeitsfirmen ("Heranführen an geregelte Arbeit"?)dem Staat entgehen Milliarden an Sozialleistungen und Steuern die an anderer Stelle fehlen.

  • WS
    W. Schmidt

    Was in Deutschland die schlecht bezahlten Arbeitsplätze sichert, ist das Angstinstrument Hartz4 und nicht die verantwortungsvolle Regierung, geschweigedenn die Unternehmer! Wenn die Menschen befürchten ihren sozialen Status nach einjähriger Arbeitslosigkeit zu verlieren, so werden sie auch miese Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen. Das dabei auf Dauer die sozialen Sicherungssysteme ob der fehlenden Beiträge aus dem wachsenden Niedriglohnsektor bankrott gehen werden, scheint niemand erkannt zu haben und das dicke Ende wird so oder so kommen. Spätestens in 20 bis 30 Jahren wird Deutschland die Macht von altersarmen Rentnern zu spüren bekommen und das macht mir Angst.

  • JC
    Jürgen Clausen

    Die Verbraucherpreiserhöhungen kann man kaum im Durchschnitt angeben, da dort Senkungen der elektronischen Waren einen großen Stellenwert haben, was aber in der Praxis nicht viel hilft, wenn man ohnehin zuwenig zum Leben hat. Handwerkerleistungen, Wohn - Nebenkosten, Baumarktpreise, Fahrkosten und vieles mehr sind seit der Euro-Umstellung fast um 100% gestiegen, es wird nur unter dem Teppich gehalten, ist fast ein Tabu.

    Dadurch, daß bei vielen Angestelltenverhältnissen in Verwaltung und Lehre etc. das 13. Monatsgehalt und sonstige Zuwendungen weggefallen sind, herrscht seit vielen Jahren Lohnrückgang. Dafür hat man seit Rot-Grün erhebliche Anstrengungen unternommen, Schwarzarbeit zu unterbinden. Etwas "nebenbei" zu verdienen war für viele Menschen der Rettungsanker, zumal wenn es nur einen Ernährer in der Familie gab. Jetzt kommt der Zoll und schnüffelt überall herum. Dann wundert man sich über zuwenig Binnennachfrage?