Studie zu Geflüchteten: Viele Ukrainer:innen wollen bleiben
Die Integration von ukrainischen Geflüchteten läuft in vielen Bereichen gut, zeigt eine neue Studie. Bei Arbeit und Kinderbetreuung gibt es noch Hürden.
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Für die Studie wurden zwischen Juli 2023 und Januar 2024 über 3.400 Personen befragt. Die Analyse wurde gemeinsam von dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) erarbeitet. Konkret wurde die Lebenssituation und Teilhabe der ukrainischen Geflüchteten untersucht.
Drei Viertel der ukrainischen Geflüchteten sind Frauen, 76 Prozent davon haben Kinder. Der Anteil der Männer ist zuletzt von 22 auf 25 Prozent leicht angestiegen. Das führe zu einer Stabilisierung vieler Familien, sagt Sabine Zinn vom DIW. Fortschritte gäbe es auch bei der schulischen Situation: Der Großteil der ukrainischen Schüler:innen werden in deutschen Regelklassen unterrichtet, lediglich 16 Prozent besuchen noch ausschließlich Spezialklassen, in denen sie vor allem Deutsch lernen sollen.
Ukrainische Kinder würden aber überproportional häufig Mittel- und Hauptschulen besuchen, was darauf hindeute, dass manche nicht ihrem Leistungsniveau entsprechend unterrichtet werden. Hier bestehe Handlungsbedarf, um mehr Chancengleichheit zu gewährleisten, so Zinn.
Immer bessere Deutschkenntnisse
Im zweiten Halbjahr 2023 hatten laut Studie 70 Prozent der Geflüchteten einen Integrationskurs absolviert oder befanden sich in einem solchen. Ihre Deutschkenntnisse hätten sich deutlich verbessert: Nur noch 12 Prozent geben an, gar keine Deutschkenntnisse zu haben (gegenüber 78 Prozent zum Zeitpunkt der Einreise).
Vor allem bei Frauen mit kleinen Kindern gäbe es Hürden: „Für einen noch erfolgreicheren Deutscherwerb sind vor allem eine durchgängige Kinderbetreuung und insbesondere im Rahmen von Berufssprachkursen flexible Kursformate von Bedeutung“, sagt Nina Rother, Leiterin des Forschungsfeldes Integration im BAMF-FZ.
Beim Thema Arbeit gibt es noch Verbesserungsbedarf: 22 Prozent der ukrainischen Geflüchteten hatten 2023 eine Erwerbstätigkeit. Je länger die Ukrainer:innen in Deutschland sind, desto öfter arbeiten sie. Über die Hälfte gehen dabei einer Arbeit nach, die unterhalb ihrer letzten Tätigkeit im Heimatland liege.
Yuliya Kosyakova vom IAB kritisiert, dass angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels in Deutschland, die ukrainischen Geflüchteten besser in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. Das würde auch die Planungssicherheit für die Geflüchteten verbessern. So könnten flexible Arbeitszeitangebote, Unterstützung beim Spracherwerb, frühzeitige Arbeitsmarkt- und Berufsberatung sowie die Ausweitung von Kinderbetreuungsangeboten die Integration ukrainischer Geflüchteter in den deutschen Arbeitsmarkt beschleunigen.
„Ein weiterer Baustein ist der Bürokratieabbau bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und entsprechende Unterstützung bei der Informationsbeschaffung“, sagt Kosyakova. Ob Ukrainier:innen Arbeit finden, hänge auch stark an den persönlichen sozialen Netzwerken: 51 Prozent hätten vor allemvon deutschen Freunden und Bekannten von freien Stellen erfahren.
Es gibt weiterhin Hürden für Ukrainer:innen
Nataliia Lichkonenko ist eine der Personen, die 2022 aus der Ukraine geflohen sind. Mittlerweile lebt sie in Bayern. In der Ukraine hat sie 25 Jahre als Ingenieurin und Dozentin gearbeitet. Ihre Qualifikation wurde in Deutschland anerkannt, sie findet in ihrem Bereich aber keinen Job, sagt sie. In Deutschland arbeitet sie als Sprach- und Kulturvermittlern zwischen anderen ukrainischen Geflüchteten und deutschen Behörden. „Wir machen uns Sorgen wegen der Sicherheit beim Wohnen, weil es so eine hohe Nachfrage gibt“, sagt Lichkonenko.
Weitere Herausforderungen seien bürokratische Hürden und Verständnisprobleme bei Bildung, Versicherungen und Steuern. Noch wisse sie nicht, ob und wann sie in die Ukraine zurückkehren soll. Ihr elfjähriger Sohn hätte sich hier gut integriert und würde besser Deutsch sprechen als sie selbst. Auf die Migrationsdebatte in Deutschland angesprochen sagt sie, dass sich die Stimmung im Vergleich zum Kriegsbeginn geändert hätte. Studien zeigten, so Kosyakova, dass lokale Stimmungen gegen Migranten zu einer niedrigen Arbeitsmarktintegration führen.
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