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Studie über Wirkung von Fitness-AppsVerbündet mit dem Selbstbild

Fitness-Apps machen nicht sportlicher. Aber sie können eine Hilfe sein, sich häufiger zu bewegen, wenn man es sowieso schon will.

Sport im Corona-Frühling Foto: Peter Byrne/dpa

V iele Jahre lang war mein Lieblingstier der Schweinehund. Jeglicher Sport war mir ein Gräuel. Im Turnunterricht in der Schule versuchte ich, mit blöden Witzen von meinen Schwächen abzulenken. Später sammelte ich Mitgliedskarten von Fitnesscentern und Unisportkursen wie andere Menschen Briefmarken: Für gutes Geld erworben, lagerten sie fein säuberlich sortiert und weitgehend unberührt an einem sicheren Ort.

Das änderte sich, als ich vor einigen Jahren auf meinem Smartphone eine Fitness-App installierte. Wie die Bezeichnung schon verriet, würde die Installation allein ausreichen, um mich fit zu machen, so meine Hoffnung. Speicherplatz für Fitness, das schien mir ein fairer Deal zu sein. Die App zeigte, wie schnell man sich wo hinbewegte, und teilte mir mit, was die Freundinnen und Freunde taten. Ich fühlte mich durchtrainiert, ohne einen Meter gelaufen zu sein.

Zu meiner großen Verwunderung begann ich kurz darauf, regelmäßig joggen zu gehen. War es die Fitness-App, die den Schweinehund vor die Haustür gelockt hatte? Tatsächlich ist sich die Forschung nicht einig darüber, ob die Nutzung solcher Apps Menschen wirklich dazu bringt, Sport zu machen.

Eine kürzlich in dem Fachjournal Computers in Human Behavior veröffentlichte Studie beschäftigt sich mit dieser Debatte. Die Forscherinnen und Forscher befragten rund 300 Collegestudentinnen und -studenten, wie oft sie Sport treiben und ob sie Fitness-Apps nutzen. Außerdem mussten die Teilnehmenden angeben, wie wichtig Bewegung für ihr Selbstkonzept war: Hatten sie sportliche Ziele? Wurden sie von anderen als sportlich wahrgenommen? Exercise identity, zu Deutsch nur eher holprig als „Turnidentität“ zu übersetzen, nannten die Forscherinnen und Forscher diese Eigenschaft.

Apps als Marker

Die Ergebnisse der Befragung zeigten: Jene, die mindestens eine Fitness-App besaßen, machten mehr Sport als die, die keine hatten. Maßgeblich für den Unterschied an Bewegung war allerdings die „Turnidentität“: Je stärker sich die Befragten als Sportler identifizierten, desto mehr Sport machten sie. Die „Turnidentität“ bestimmte zudem die Beziehung zwischen Sportausübung und App-Nutzung. Wurde also die Identität einberechnet, gab es keinen Unterschied in sportlicher Ausübung zwischen Nutzern und Nichtnutzern von Apps.

Fitness-Apps, schlossen die Forschenden, sind ein „Marker“. Sie zeigen, dass man sich als sportlich sieht und gern Sport treibt. Da es sich bei der Studie nur um eine einmalige Befragung handelt, bleibt jedoch offen, welche Rolle die Apps bei der Entwicklung der sportlichen Identität gespielt haben. Weshalb ich aus der Studie ein Tipp für jene ableite, die, so wie ich damals, endlich mehr Sport machen wollen: Gebt euch als Erstes eine „Turnidentität“, erklärt euch also zum sportlichen Menschen. Dann installiert ihr eine Fitness-App. Beides geht einfach von der Couch aus. Mit etwas Glück traut sich der Schweinehund dann bald heraus.

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Anna Goldenberg
Kolumnistin
Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.
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2 Kommentare

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  • Diese Apps sind absolut hilfreich. Sie zeigen Dauer und Intensität der Betätigung bzw der Untätigkeit auf. Mir hat das sehr gut geholfen, wieder in die Gänge zu kommen und zu sehen, wo es hakt und was noch getan werden kann. Das ist wie mit Kalorienzählen, man schätzt es selbst oft falsch ein.

  • Ich glaube schon, dass Apps die Sportintensität steigern können. besonders wenn man die Trainingsergebnisse irgendwo online stellt und andere (Freunde) es sehen können. Da will man keine besonders langsame oder gar abgebrochene Laufrunde präsentieren und eben auch keine Faulheit.



    Ich selber mache seit 35 Jahren Ausdauersport (Laufen u. Radfahren) und musste mir noch nie einen Schweinekund als Haustier gehalten. Im Gegenteil, es war mir immer ein Bedürfnis, mich zu bewegen und habe selbst bei schlechtem Wetter Spaß daran. Es gibt auch kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung.



    Daher ist eine App für mich unnötig, ich nutze aber sehr gerne mein GPS-Navigationsgerät zum Radfahren wie zum Laufen. Das hat mir tatsächlich noch etwas mehr Antrieb gegeben, weil es meinen Tourenhorizont sehr erweitert und die Lust auf noch längere Touren gesteigert hat.



    Wer aber oft einen Schweinhund an der Couch sitzen hat, sollte sich auf jeden Fall digitale Unterstützung und Motivation holen. Es ist es wert.