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Studie soll Klarheit bringenBildungspaket dümpelt vor sich hin

Es sind immer noch zu wenige Familien, die die Leistungen des Bildungspakets in Anspruch nehmen. Jetzt sollen Wissenschaftler herausfinden, woran es liegt.

Wissenschaftliche Auswertung: Eine Studie soll nun zeigen, welche Famlien das Bildungspaket nutzen und welche nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Knapp drei Monate alt ist das Bildungspaket. Doch erst ein Drittel aller anspruchsberechtigten Kinder aus armen Familien nutzen die Angebote. Dies besagen Daten, die die Kommunen erhoben haben.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist dennoch optimistisch: "Die Zahlen der Inanspruchnahme steigen, vor zwei Monaten lagen sie noch bei fünf bis zehn Prozent, jetzt bei 25-30 Prozent, aber es reicht natürlich noch nicht."

Mit dem Bildungspaket können rund 2,5 Millionen Kinder aus Familien, die Hartz IV, Wohngeld oder den Kinderzuschlag beziehen, finanzielle Zuschüsse für Schul- oder Kita-Mittagessen, für Sport- oder Musikvereine sowie für Nachhilfeunterricht, Schulmaterialien oder den Bus zur Schule erhalten.

Damit das Paket künftig besser genutzt wird, haben sich von der Leyen, Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie die Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), am Dienstag in Berlin bei ihrem 2. Runden Tisch auf weitere Schritte geeinigt: Eine wissenschaftliche Studie soll heraus finden, welche Familien Anträge stellen und welche nicht.

Absage an Hausbesuche

Besonders erfolgreiche Kommunen sollen nach ihrem Erfolgsrezept befragt werden. Auch die Werbung wird verstärkt: Nicht nur Schulen, Kitas und die Jobcenter sollen - viele tun es bereits jetzt - systematisch auf die Leistungen hinweisen, auch Internetdienste wie Twitter kämen künftig zum Einsatz, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Wenig Positives konnte Schwesig jedoch dem Vorschlag abgewinnen, bei Familien Hausbesuche zu machen: "Ich halte nichts von an der Tür klopfen", sagte sie zu der Idee, die von der Leyen ins Spiel gebracht hatte. Vielmehr müsse die vorhandene Infrastruktur unterstützt werden, beispielsweise durch den Einsatz von Sozialarbeitern in Schulen und Kitas. Gerade im Osten werde gut auf Leistungen aus dem Paket zurückgegriffen, weil für Mittagessen in der Schule die Infrastruktur existiere, sagte Schwesig.

Auch Hans Jörg Duppré, Präsident des Landkreistag, erteilte Hausbesuchen eine Absage: "Teilhabe läßt sich nicht mit Zwang erreichen." Im November wollen Bund, Länder und Kommunen bei einem dritten Runden Tisch erneut Bilanz ziehen. Die Kommunen erwarten, dass nach den Schulferien die Nachfrage nach Leistungen noch einmal anzieht.

Am schleppendsten läuft derzeit die Lernförderung an: "Das ist etwas ganz Neues, alle müssen hier noch lernen", sagte von der Leyen. Ursula Krickel, Sprecherin des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, sieht auch ein zeitliches Problem: "Sechs bis acht Wochen vor Schuljahresende ist das Ziel der Lernförderung, die Versetzung, schwierig zu erreichen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist." Denn Nachhilfestunden werden vom Bund nur bezuschusst, wenn die Versetzung gefährdet ist und die Schule die Prognose ausgibt, dass sie durch Lernförderung noch erreicht werden kann. Diese strikte Voraussetzung kritisierte Caritas-Präsident Peter Neher: "Es ist nicht hinnehmbar, dass Kinder und Jugendliche, die Nachhilfe für einen Wechsel zum Beispiel ins Gymnasium brauchen könnten, von der Förderung ausgenommen sind."

Auch Flüchtlingskinder sollen Anspruch auf die Leistungen haben

Die Caritas erneuerte am Dienstag ihre Forderung, auch Kindern von Asylbewerbern oder geduldeten Flüchtlingen uneingeschränkten Zugang zum Bildungspaket zu gewähren. Bisher gibt es einen Anspruch grundsätzlich nur für solche Kinder, deren Eltern vier Jahre lang Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten haben. Für alle anderen Kinder gilt nach einer Einzelfallprüfung eine Kann-Regelung, die Länder und Kommunen derzeit unterschiedlich anwenden: Manche gewähren Leistungen, wie Berlin und Hamburg, manche nicht.

"Da muss das Bundesarbeitsministerium dringend nachregulieren", sagte Birgit Fix, Referentin für Arbeitsmarkt- und Armutsfragen. Die Caritas schätzt, basierend auf Zahlen des statistischen Bundesamts von 2008, dass mehr als 27.700 Kinder derzeit keinen Regelanspruch auf das Bildungspaket haben. Damit sich das ändert, hat Hamburg Mitte Juni eine Bundesratsinitiative eingebracht. Sie will erreichen, dass künftig allen Flüchtlingskindern Leistungen aus dem Bildungspaket zustehen.

In der Bringschuld sieht Fix die Bundesregierung auch bei höheren Regelleistungen für Asylbewerber. "Das muss endlich in Angriff genommen werden." Die Sätze für Asylbewerber wurden seit 1993 nicht mehr erhöht und liegen noch einmal um 38 bis 47 Prozent unter den 364 Euro, die erwachsenen Hartz-IV-Beziehern derzeit zustehen. Doch die Höhe der Hartz-IV-Sätze und ihre Berechnung hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom Februar 2010 für verfassungswidrig erklärt. Von der Leyen hatte bereits angekündigt, auch für Asylbewerber nachzusteuern. "Doch vor der Sommerpause passiert da garantiert nichts mehr", sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums.

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11 Kommentare

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  • KM
    Kristen Macke

    Für das Geld hätte man auch einfach Schulessen für alle armen Kinder finanzieren können - oder Nachmittags-Förderunterricht bei richtigen Lehrern in den Schulen selber und nicht nur bei diesen Aushilfslehrern oder teuren privat finanzierten Nachhilfelehrern.

     

    Wir brauchen keine Tröpfchen-Bildung für Arme sondern exzellente Bildung qualitativ und quantitativ für alle!!!

     

    Man müsste sich mal genau ansehen, wer alles an der Einführung der Bildungs-Kreditkarte verdient.

     

    Das ganze ist Wahnwitz. Da haben wir die Schulen und die Lehrkräfte und die Unterrichtsmatierialien, aber die werden nicht eingesetzt.

    Stattdessen werden dem ein oder anderen Bettler ein Paar Pfennige zur Bildung ins Blechschälchen vor seinen Füßen gelegt. Und der Zuteilungsapparat verschlingt einen riesigen Anteil vom Geld.

     

    Das ist etwa so, als würde man im Krieg bei einem Angriff nicht der Bundeswehr den Auftrag geben, den Angriff abzuwehren. Sondern der Staat geht in den Baumarkt, kauft Besenstiele und Dachlatten und verteilt diese an die Arbeitslosen, damit die damit in den Krieg ziehen und die Angreifer in die Flucht schlagen.

     

    Das Bundestag/-rat (weiß grad nicht welcher), so einen Unsinn absegnen, ist unglaublich.

  • M
    Meik

    Uwe Eden. "...und Mütter wochenlang nicht wissen, was sie ihren Kindern zu essen geben sollen, weil sie vom Staat einfach wie Abschaum behandelt werden...". Zu weit gesprungen, Herr Eden. ihre Aussage ist Quatsch, das wissen Sie hoffentlich selbst. Da ist jede sinnvolle Antwort überflüssig.

  • UE
    Uwe Eden

    Schmierentheater.

    Als ob diese Regierung den Bürgern dieses Landes etwas schenken würde. Und den asozialen HartzIV Empfängern, schon mal gar nicht. Ich sehe da ein sehr großes Profilierungsproblem bei Frau Beinahe- Bundespräsidentin. Und möchte nicht wissen, wieviel ihr überdimensionierter PR- Apparat jährlich verschlingt, der das Volk auf (ihre) Linie bringt.

    Es ist ein Unding, wie der Staat Millionen von Menschen tagtäglich in den ARGEN ihrer Würde beraubt. Wo permanent gesteuert Unterlagen verschwinden und Mütter wochenlang nicht wissen, was sie ihren Kindern zu essen geben sollen, weil sie vom Staat einfach wie Abschaum behandelt werden.

    Die Würde der Menschen, die ja eigentlich nicht ohne Grund an erster Stelle des Grundgesetzes steht, wird in unserem Land mit Füßen getreten.

    Und dank PR und Schmuddelfernsehen tritt fast ganz Deutschland mit.

     

    Man sollte lieber diese Grundsätze diskutieren, als über den K®ampf der unsinnigen Nachbesserungen, denke ich.

  • H
    Hasso

    Dass man in solch einem System, das so gewollt und geschaffen wurde- zu Gunsten der kapitalistischen Diktatur- auch noch betteln soll, ist schon eine niederträchtige Spitzfindigkeit.Die von der Leyen hat es faustdick hinter den Ohren-das sieht man doch an ihrer verfassungswidrigen Hartz IV- Reform.

  • S
    Strolch

    Als Aufstocker habe ich im März, April und Mai 3 Anträge für Vereinskosten und Schülerbeförderung abgegeben. Resultat: Nichts. Auskunft: Anträge können noch nicht bearbeitet werden, da Anweisungen fehlen, was immer dies bedeutet. Es ist politisch nicht gewollt die Unterschichtskinder zu fördern, jetzt versucht man das auch noch als Desintresse der Eltern auszulegen. Soll mal die Lügenuschi für ihre 7 Kinder diesen Antragsmarathon machen, der würde das Grinsen vergehen.

  • N
    NoComment

    Es ist doch ein makabrer Witz, dass Unmengen von Geld ausgegeben werden, um den komplizierten Verwaltungsablauf zu stemmen, damit ein paar Kröten ausgegeben werden können, die sowieso nicht ausreichen um z.B. Musikunterricht zu finanzieren oder Nachhilfe. Es reicht doch nicht mal fürs Schulessen.

    Und das alles, damit man der dämlichen Familienministerin nicht nachsagen kann, sie habe nicht nichts getan. Politik wird auf diese Weise reduziert aufs PR-Sprücheklopfen.

  • L
    Larah

    @Eva: "Was jetzt gemacht wird ist infam und perfide und dient nur der PR, dass die Betroffenen selbst schuld sind." Völlig richtig.-

    Das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich verlangt, dass die speziellen Bedarfe der Kinder in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren zu ERMITTELN waren. Das ist (wieder) nicht geschehen. Stattdessen wirft man den Betroffenen diesen faulen Mini- Knochen hin UND legt ihnen dabei noch unzählige Steine in den Weg.

    Sie wollen in einer Studie herausfinden, woran es liegt, dass etliche Anspruchsberechtigte diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen (wozu ja auch niemand verpflichtet ist) ? Einfach mal in Betroffenen- Foren mitlesen - kostet uns keine weiteren Steuergelder und ist sehr aufschlussreich. Aber die Gründe will man ja gar nicht wissen. Bzw. man kennt sie längst - aber das klänge ja in den Medien nicht so gut. Was für ein zynisches, unverhohlenes Theaterspiel, das Ganze.

  • O
    outsource

    Durch diese Studie würden Steuergelder verbrannt, die den Kindern zugute kommen sollten. Manchmal möchte man in die Auslegeware beißen, wenn man Frau von der Leyen hantieren sieht.

  • N
    Nadik

    Daran liegt's:

    Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen

     

    Wer will vergammeltes Essen? Niemand.

  • A
    aurorua

    War doch klar und gewollt, welcher Vater und welche Mutter will auch noch die Erniedrigung für sich und seine Kinder hinnehmen und mit Gutscheinen hausieren gehen.

    In Verbindung mit diesen Assi/Gutscheinen gab es ja auch keine Erhöhung bei den Regelsätzen für Kinder und sind auf Jahre mit Verweis auf die Gutscheine auch nicht geplant. Summa summarum wieder einmal eine Kürzung durch die Hintertür, gedeckt von opportunen karrieregeilen Verfassungsrichtern die schon lange nur noch nach Kassenlage entscheiden.

  • EW
    Eva Willig

    Erst 3 Mio € für Bewerbung des Bildungspäckchens und jetzt eine aufwendige Studie.

    Es war vor der Deform schon möglich für Klassenreisen oder Tagesausflüge Geld zu beantragen und das war verhältnismäßig einfach. Was jetzt gemacht wird ist infam und perfide und dient nur der PR, dass die Betroffenen selbst schuld sind.

    Was nützt die Vereinsgebühr (falls 10€ pro Monat reichen), wenn das Geld für die Töppen nicht da ist, oder was nützt 1 Musikstunde im Monat, wenn höchstens die Perkussionsinstrumente der Küche(Töpfe, Pfannen, Kochlöffel usw.) zur Verfügung stehen oder was nützt 1 Nachhilfestunde im Monat, wenn es auf kontinuierliche Begleitung des Kindes beim Lernen ankommt.

    Die permanente Diskriminierung der Eltern wird auf die Kinder übertragen und nur, um ein paar 100 Mio € fürs Sparpaket zu erlangen, denn jeder Monat, wo die Leistung nicht in Anspruch genommen wird, spart die Bundesregierung 25 Mio € zu Lasten der Ärmsten der Gesellschaft.