Studie in Deutschland: Jedes sechste Kind von Armut bedroht
Besonders betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden, sagt das Statitische Bundesamt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert die Zahlen.
BERLIN taz | Von den 13,1 Millionen Kinder, die 2010 in Deutschland lebten, war jedes sechste von Armut bedroht. Besonders betroffen waren dabei Kinder von Alleinerziehenden. Das geht aus dem Bericht "Wie leben Kinder in Deutschland?" hervor, den das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. Demnach war 2010 mehr als jedes dritte Kind von Alleinerziehenden armutsgefährdet. Für Kinder in Paarfamilien war das Risiko deutlich geringer. Dort hatte nur jedes achte bis neunte Kind nicht genug Geld.
"Die Einkommenssituation der Eltern hat direkten Einfluss darauf, ob Kinder armutsgefährdet sind oder nicht", erklärte Destatis-Präsident Roderich Egeler. Ein besonders Armutsrisiko haben demnach Kinder, die in Familien leben, die Hartz IV erhalten. 2010 lebten laut der Studie 33 Prozent aller Kinder von Alleinerziehenden von dieser Sozialleistung. Bei Minderjährigen, die in Paarfamilien aufwuchsen, waren hingegen nur 4 Prozent überwiegend auf Hartz IV angewiesen.
Egeler sagte, es gebe zwar Dinge, die sich einige Haushalte nicht leisten könnten. Er unterstrich aber: "Die elementarsten Bedürfnisse von Kindern wie Kleidung, Essen, Spielsachen, das Feiern von Festen und das Pflegen von Sozialkontakten werden in den allermeisten Fällen erfüllt." Insgesamt sei das Armutsrisiko von Kindern mit 15 Prozent sogar etwas geringer als das der Gesamtbevölkerung mit 15,5 Prozent, sagte Egeler.
Kritik an derart "verharmlosenden" Aussagen kam vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. "Die Studie ist nicht nur fehlinterpretierbar, sondern spielt auch jenen in die Hände, die solche Untersuchungen am liebsten runterspielen wollen", sagte Rudolf Martens, Leiter der paritätischen Forschungsstelle.
So liege die Armutsquote von Kindern laut dem Mikrozensus - der auch als "kleine Volkszählung" bezeichnet und ebenfalls vom Statistischen Bundesamt erhoben wird - bei 18,7 Prozent, die der Gesamtbevölkerung jedoch bei 14,6 Prozent. Dass Armut und insbesondere Kinderarmut in den letzten Jahren nicht abnähmen, habe viel mit dem Wachsen des Niedriglohnsektors zu tun. Die Wirtschaft übe weiterhin Druck auf Löhne und Lohnnebenkosten aus, kritisierte der Forscher des Wohlfahrtsverbands.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn