Studie gibt Finanzberatern schlechte Noten: Einbahnstraßenberatung
Auf 20 bis 30 Milliarden Euro schätzt eine Studie die jährlichen Vermögensschäden durch unsachliche Finanzberatung. Für Kleinanleger sind Sparkonten immer noch die beste Lösung.
Die Beratung privater Kapitalanleger in Deutschland ist oft von schlechter Qualität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums. "Die Vermögensschäden auf Grund mangelhafter Finanzberatung werden auf jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro geschätzt", sagt Marco Habschick vom Hamburger Forschungsinstitut Evers & Jung, das die Studie erarbeitet hat.
Wer einige tausend Euro übrig hat, sollte das Geld ausgeben oder für durchschnittliche Zinsen auf ein Sparkonto einzahlen, anstatt sich von Finanzberatern Aktien, Fonds, Lebens- oder Rentenversicherungen aufschwatzen zu lassen. Das liegt nicht daran, dass solche Kapitalanlagen schlecht wären. Wenn heute trotzdem viele private Kapitalanleger Verluste statt Gewinne machen, ist die Ursache unter anderem in falscher Beratung zu suchen.
"Fehlleistungen sind eher die Regel als die Ausnahme", heißt es in der Studie. "Die Beratung kann man in vielen Fällen mit einer Einbahnstraße vergleichen", sagt Habschick. Die Mitarbeiter von Finanzagenturen, aber auch Banken würden ihre Kunden bei Neuinvestitionen unterstützen, sie aber nicht beraten, wenn es Zeit sei, aus Aktienfonds oder ähnlichen Produkten wieder auszusteigen. Deshalb haben Privatanleger im Zuge der aktuellen Finanzkrise Milliarden Euro verloren.
Oft würden den Kunden auch die falschen Versicherungen verkauft. Hoch im Kurs stehe beispielsweise die Unfallversicherung, während eine Berufsunfähigkeitsversicherung für die meisten Beschäftigten viel sinnvoller sei, so Habschick. Dass trotzdem eher Unfallpolicen verkauft würden, liege an den dabei höheren Provisionen für die Verkäufer.
Große Mängel haben die Forscher zudem bei langfristig laufenden Kapitalanlagen ermittelt. "50 bis 80 Prozent aller Langfristanlagen werden mit Verlust vorzeitig abgebrochen." Grund: Verträge mit 30-jähriger Laufzeit seien für moderne Arbeitnehmer mir wechselnden Jobs und Biografien oft die falsche Kapitalanlage.
Als Ergebnis ihrer Studie formulieren die Forscher, dass die Politik die Regulierung der privaten Anlageberatung verbessern müsse. Ein zentraler Ansatz wäre es, Beratung und Verkauf zu trennen. Den privaten Kapitalanlegern in Deutschland sollten mehr Einrichtungen zur Verfügung stehen, die gegen ein Berarungshonorar Produkte empfehlen, ohne vom Verkauf dieser Aktien, Fonds und Versicherungen zu profitieren.
Verbraucherpolitiker Peter Bleser (CDU) denkt dabei etwa an die "Stärkung der Verbraucherzentralen". Außerdem wolle die große Koalition die Beratung auf gesetzlichem Wege verbessern. Die Berater sollten den Kunden künftig ein Protokoll des Beratungsgespräches aushändigen. Dadurch lasse sich leichter nachvollziehen, ob Qualitätsanforderungen eingehalten würden. Auf welche Art Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) auf die Empfehlungen der Studie reagieren will, ist bislang unklar.
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