piwik no script img

Studentische SelbstverwaltungSchwarz-gelber Angriff

In Sachsen will die schwarz-gelbe Landesregierung die verfasste Studierendenschaft schwächen. Selbst in der CDU gibt es kritische Stimmen.

Abstimmung im Landtag: Studentenproteste wie hier in Leipzig sind der Landesregierung offenbar lästig. Bild: ap

DRESDEN taz | In Sachsen setzt die CDU-FDP-Koalition ihre Strategie fort, sich mit möglichst vielen Bevölkerungsgruppen zu überwerfen. Nach Kulturleuten, Lehrern, Polizisten und Beamten hat sie nun die Studierenden gegen sich aufgebracht. Mit einer Novelle des Hochschulgesetzes soll der Landtag an diesem Mittwoch unter anderem eine Aushebelung studentischer Selbstverwaltung durch die Austrittsmöglichkeit aus der verfassten Studentenschaft beschließen.

Bislang zahlen Studierende automatisch einen Semesterbeitrag von 4 bis 9 Euro für die Finanzierung der Studenten- und Fachschaftsräte. Dafür genießen sie das Wahlrecht ihrer Vertretungen und haben Anspruch auf Beratungs-, Kultur- und Unterstützungsleistungen. Wichtigstes Privileg ist die Erwerbsmöglichkeit des preisgünstigen Semestertickets, das die Studentenräte mit den regionalen Verkehrsbetrieben aushandeln.

Die solidarische Finanzierung der verfassten Studentenschaft galt als große Errungenschaft der friedlichen Revolution in der DDR. Nur Bayern bietet eine Austrittsmöglichkeit, wie sie Sachsen einführen will. Baden-Württemberg ist in diesem Jahr wieder zur solidarischen Studentenvertretung zurückgekehrt.

„Wir haben den Verdacht, dass man uns politisch ruhigstellen will“, sagt eine Sprecherin der Konferenz sächsischer Studierendenschaften KSS. Man könne auch nicht einfach erklären, dass einem die Demokratie nicht passe. Die KSS befürchtet eine Einschränkung ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit und eine politische Delegitimierung. Zumindest die etwa 30 Prozent der Nichtnutzer des Semestertickets könnten versucht sein, durch eine Austrittserklärung die Studentenrat-Gebühr zu sparen.

Abweichler im Landtag erwartet

Mit „mehr Freiheit“ begründen CDU und FDP ihr Vorhaben. Im Wissenschaftsministerium hebt man abwehrend die Hände und erklärt sich für nicht beteiligt. Treibende Kraft in der CDU-Fraktion ist der ehemalige Justizminister Geert Mackenroth, der wiederum das Geschäft des unionsnahen Studentenverbandes RCDS betreibt. Doch bei der Landtagsabstimmung werden einige Abweichler erwartet. Thomas Colditz, zurückgetretener bildungspolitischer Sprecher der Fraktion, hält die Attacke für „völlig überflüssig“.

Neben Gewerkschaften und Opposition hat sich auch die Landesrektorenkonferenz auf die Seite der Studierenden geschlagen. Die studentische Mitbestimmung werde geschwächt, heißt es in einer Erklärung. Evangelische Studentenpfarrer fordern eine Verschiebung der Abstimmung und weitere Diskussionen. Schwarz-Gelb hat indessen den Zeitpunkt clever gewählt. Zwei Wochen vor Semesterbeginn ist noch nicht so viel Widerstand zu erwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • A
    Alexis

    Was? Auf einmal gehts um Freiheit? Ständig wird doch argumetiert das man für die Sicherheit der Demokratie seine Freiheit zu opfern hat, kaum werden aber von den Bürgern demokratische Strukturen in Anspruch genommen, muss man diese zugunsten sogenannter "Freiheit" aushebeln. Ich weiß shcon gar nicht mehr was mich mehr anwidert, unsere koruppten Altparteien oder unsere Lobbyistenkanzlerin.

  • B
    Basti

    Ich werde austreten, sobald ich die Möglichkeit dazu habe.

     

    Sehr gute Entscheidung der sächsischen Regierung!

  • WA
    Wilhelm Achelpöhler

    Eine Austrittsmöglichkeit gibt es in Sachsen-Anhalt, nicht in Bayern. Dort gibt es gar keine verfaßte Studentenschaft.

  • S
    StudiDD

    Die Austrittsoption gibt es in Sachsen-Anhalt, in Bayern gibt es als einzigem Bundesland keine verfasste Studentenschaft. Man darf wohl gespannt sein auf die morgige Abstimmung.

  • B
    Blub.

    Wichtiges Thema, aber leider wohl nicht gerade gut recherchiert: "Nur Bayern bietet eine Austrittsmöglichkeit, wie sie Sachsen einführen will" teilt uns der Autor des Artikels mit - Aber aus welcher Studierendenschaft kann man in Bayern denn austreten? Es gibt dort überhaupt keine Verfasste Studierendenschaft.

  • S
    Smardis

    Sehr geehrter Herr Bartsch,

     

    leider gibt es in Bayern keine Verfasste Studierendenschaft und damit auch keine Austrittsmöglichkeit aus einer solchen. Die bayerischen Studierenden wurden bereits 1973 entrechtet und zwar "um den terroristischen Sumpf" trockenzulegen.

    Auf eine Wiedereinführung wie in BaWü warten wir noch.

     

    Liebe Grüße,

    ein bayerischer entrechteter Studierender

  • E
    Erik

    Zur Korrektur: In Bayern gibt es keine Verfasste Studierendenschaft; in Sachsen-Anhalt kann man aus ihr austreten.