piwik no script img

Studentenzeitschrift der Humboldt-UniGeld nur für genehme Berichterstattung

Die "UnAufgefordert" ist in Gefahr. Das zuständige Studierendenparlament will ihr den Geldhahn zudrehen. Grund sind divergierende Ansichten über Genderfragen, Demokratie und die Aufgabe von Journalismus.

Gespalten in Genderfragen: HU-Studierende im Hörsaal Bild: DPA

Eine der ältesten und profiliertesten Hochschulzeitschriften Deutschlands steht vor dem Aus. Die UnAufgefordert, Zeitschrift der Humboldt-Universität, verlor ausgerechnet zum 19. Geburtstag das Wohlwollen ihrer Finanziers: Im Studierendenparlament (Stupa) wurde erstmals kein Zeitschriften-Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. In den Jahren zuvor war es reine Routinesache gewesen, der Publikation 12.000 Euro für acht Ausgaben jährlich zur Verfügung zu stellen.

Traditionell schwierig

"Wir sind immer noch schockiert. Mit so einem Ergebnis haben wir nicht gerechnet", sagt Gina Apitz von der Redaktionsleitung. Bisher, sagt die 21-jährige Kulturwissenschaftsstudentin, sei der Haushalt immer genehmigt worden, wenn auch manchmal nur mit knapper Mehrheit. Denn das Verhältnis zwischen der Redaktion und dem Hochschulgremium, das als Herausgeber fungiert und die Zeitschrift zur Hälfte finanziert, sei traditionell schwierig und von weltanschaulich-politischen Differenzen geprägt. "Immer wieder versucht das Stupa, Einfluss auf unsere Redaktionsarbeit zu nehmen", klagt Apitz. Hinter der jüngsten Abstimmungsklatsche vermutet sie eine "Strafaktion" des links dominierten Studierendenparlaments gegen missliebige Berichterstattung. "Wir wollen aber kein politisches Blatt sein, sondern einfach nur eine gute Uni-Zeitschrift."

Für besonders große Missstimmigkeiten hatte ein Bericht im Oktober-Heft über mutmaßliche sexuelle Belästigung an der HU gesorgt. Die betroffene Studentin zog kurz vor Redaktionsschluss ihre Aussagen zurück. Im Heft war dann nur eine knappe öffentliche Erklärung der Frau zu lesen, dafür aber ein ausführlicher offener Brief des beschuldigten Professors, in dem dieser sich vehement verteidigte. Das Stupa fand die Berichterstattung unfair und sexistisch und erließ einen Beschluss zum besseren Opferschutz. Es gab Sitzungen und Schlichtungsgespräche. Als Wiedergutmachung führte die UnAufgefordert in der nächsten Ausgabe ein Interview mit der Frauenbeauftragten der Universität über Bewältigungsstrategien bei sexueller Belästigung. Doch das ging den Gremienmitgliedern offenbar nicht weit genug.

Keine Binnen-Is

"Die Redaktion fällt immer wieder durch ihre unsensible Handhabung von Gender-Fragen auf", kritisiert zum Beispiel Marie Melior, die als Vertreterin der grün-alternativen Hochschulgruppe im Stupa sitzt. Die 22-jährige Jurastudentin ärgert sich über fehlende Binnen-Is in der UnAufgefordert und wiederholt auftauchende Geschlechterklischees im Heft. Dass dort kaum "gegendert" werde, widerspräche den im Stupa mehrheitlich geltenden Auffassungen von Geschlechtergerechtigkeit. "Die UnAufgefordert ist ein Organ des Stupa. Trotzdem müssen wir unsere Seiten immer wieder dazu verwenden, deren Artikel richtigzustellen."

Dem ReferentInnenrat, einem Untergremium des Studierendenparlaments, stehen in jedem Heft vier Seiten zu. Die hat sich das hochschulpolitische Gremium vor Jahren per Beschluss gesichert. Dass die einzelnen Beiträge dabei stets als "Gastbeitrag aus dem RefRat" bezeichnet werden, offenbart die Distanz zwischen Redaktion und Herausgeberin. Personelle Überschneidungen gibt es kaum. Die etwa 25-köpfige Redaktion versucht, unabhängigen Journalismus zu machen - was ihr, von außen betrachtet, gut gelingt. Bereits zweimal wurde die UnAufgefordert für ihre journalistische Qualität ausgezeichnet. Die Berichte, Reportagen und Dossiers, etwa über Gastaufenthalte im Ausland, Stresserkrankung von Studierenden oder die Verschwendung von Exzellenz-Millionen durch die Unis, sind gut gemischt und interessant zu lesen. Inhaltlich und sprachlich befinden sie sich aber oft im Widerspruch zu den gewählten Studierendenvertretern, die Hochschulpolitik in ihrer Zeitschrift sehen wollen.

In der UnAufgefordert wird seit 19 Jahren im kleinen hochschulpolitischen Rahmen der ewige Konflikt zwischen redaktioneller Unabhängigkeit und Herausgeberinteressen ausgetragen. Jedes einzelne Heft ist damit auch eine Übung in Demokratie. Die nächste Ausgabe ist noch gesichert, die weitere Zukunft der Zeitschrift ungewiss. Am 17. Dezember tritt das Studierendenparlament der HU wieder zusammen. Dann wird die Redaktion der Zeitschrift einen neuen Haushaltsantrag stellen. Beschließt das Gremium erneut keinen Haushalt, ist die Zeitschrift erledigt - eine reine Finanzierung durch Anzeigen, die bisher die Hälfte der Einnahmen ausmachen, dürfte für eine kleine Gratis-Zeitschrift mit 2.000 Stück Auflage kaum zu stemmen sein.

Abstimmung oder Zensur

Nelo Locke weiß noch nicht, ob sie am 17. Dezember für die UnAufgefordert stimmen wird. Die 26-jährige Gender-Studies- und Geschichtsstudentin sitzt für die Linke Liste im Studierendenparlament und gehört dessen fünfköpfigem Präsidium an. Bei der letzten Sitzung stimmte sie gegen den Haushalt. "Über die Zukunft kann man erst sprechen, wenn eine inhaltliche Diskussion stattgefunden hat", sagt sie. Die aber sei abgewürgt worden, mit der Begründung, es gehe bei der Abstimmung nur ums Geld.

Für Locke hängt aber eins mit dem anderen zusammen. Sie wünscht sich, dass aus dem Belästigungsfall Lehren für die zukünftige Zusammenarbeit gezogen werden. Und verbindliche Regeln entwickelt, zum Beispiel eine "stärkere Anbindung der Redaktion an die hochschulpolitischen Organe". Ihre Mitstudentin Gina Apitz würde das wohl "Zensur" nennen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • W
    war-mal-Unaufler

    die UnAUF wird es immer geben, schon im letzten Jahrtausend gab es diese irrsinnigen und stumpfsinnigen Grabenkaempfe und wir haben immer gewonnen - weil wir einfach naeher an der realitaet sind, schneller ticken und einfallsreicher sind als diese Minderheiten-Parlamentarier.

     

    UnAUF forever

  • G
    Gesa

    Dass das zum ersten Mal passiert, stimmt leider nicht - denselben Streit haben wir auch schon ausgefochten. Wir standen auch einige Zeit ohne Haushalt da und mussten eine Not-Unaufgefordert machen. Und ich wette: Auch diesmal kriegt der Refrat die Unauf nicht klein!

  • K
    Katrin

    Hoffentlich bekommt Ihr das hin am 17.12.

     

    Katrin, Mitbegründerin

  • S
    Sascha

    also dann mal los:

    - manche mögen den antrag der "unauf" aus den im artikel geschilderten gründen abgelehnt haben. andere vielleicht auch einfach nur, weil die redaktion in ihrem antrag veränderte etat-rahmenbedingungen nicht beachtet hat. obwohl sie wohl deutlich darüber informiert war.

     

    - das stupa hat in der vergangenheit durchaus auch außerplanmäßige finanzlöcher der "unauf" gestopft, das sollte bitte nicht vergessen werden.

     

    - der "ReferentInnenrat" ist nicht einfach "ein untergremium des stupa", sondern entspricht an der hu dem, was an andern unis "asta" heißt.

     

    - und dass die überschrift des artikels gerade angesichts des themas eher peinlich ist, wurde ja schon erwähnt. beim binnen-i oder der offeneren unterstrich-schreibweise mag ja mancher bedenken hinsichtlich der lesbarkeit haben (auch wenn ich persönlich die nicht gelten lasse), aber bei geschlechtsneutralen formulierungen mittels substantivierter verlaufsformen kann davon wohl kaum die rede sein.

  • MV
    Margarete von der UnAuf

    Klar wird in der UnAuf gegendert und zwar ziemlich gründlich. Allein schon deswegen, weil wir so viele Frauen in der Redaktion sind und da drauf Wert legen. Ganz einfach.

     

    Übrigens zum Thema "Verständnis von Meinungsvielfalt": Es geht ja noch nicht mal um Meinungen bezüglich Geschlechtergerechtigkeit etc. Es ist doch um Himmels Willen nicht so, dass wir ne Redaktion aus lauter anti-grünen sexistischen Faschos wären, die antiemanzipatorische Propaganda schreiben.

    Sondern es geht echt nur um die Frage, wie viel sich Journalisten erlauben können, ohne vorher ihre Herausgeber um Erlaubnis gefragt zu haben.

    Und da waren die Dinge, die die UnAuf in letzter Zeit gebracht hat, auch wieder nicht so schlimm, dass man einer engagierten Gruppe von jungen Jornalisten die finanziellen Grundlagen ihrer Arbeit entziehen dürfte.

    Sollte der Refrat denn mal tatsächlich seine vier Seiten im Heft nutzen wollen, hätten wir ja nen Vergleich, was gegenderten und nicht-gegenderten Journalismus betrifft. Aber die schreiben ja nichts; da ist es einfach, bei unseren Artikeln überall den Finger drauf zu halten.

     

    Sollte die UnAuf vom Stupa gekillt werden, gründe ich ne neue Studierendenzeitung. Aber ich hoffe, das wird nicht nötig sein.

  • N
    Noch-HU-ler

    Ja, bei der UnAuf wird gegendert. Zumindest in journalistisch vertretbarem Maß, um die Lesbarkeit zu gewährleisten.

     

    Ansonsten stimme ich vollkommen mit "Ex HU ler" überein. Es ist einfach nur noch traurig.

  • C
    Christian

    Schon komisch, dass in den Sitzungen des StuPas scheinbar mehr über die Benutzung des Binnen Is und der Genderung von Wörtern diskutiert wird, anstatt sich um andere studentische Probleme zu kümmern.

    Man hört, dass wichtige Anträge abgelehnt werden, weil ihre Formulierung "gendertechnisch" nicht o.k. ist.

  • W
    weisser

    apropos gender, werte taz: "Studentenzeitschrift"?! = Studierendenzeitschrift!

  • W
    weisser

    schon komisch, dass ausgerechnet sog. linke nachwuchspolitiker ein medienorgan als parlmentarisches sprachrohr betrachten. man fühlt sich an längst vergangene zeiten erinnert...

     

    meines erachtens wird in der unaufgefordert gegendert, was sagt die redaktion dazu?

  • EL
    Ex-HU ler

    Gelinde gesagt ist es eine Sauerei, was da seit Jahren veranstaltet wird. Anstatt man auf Seiten des Stupa froh ist, eine so engagierte Zeitung unterstützen zu können, legt man dem Projekt Steine in den Weg. Und weil man es selbst nicht gebacken bekommt, eine ordentliche Publikation auf die Beine zu stellen, entert man ein erfolgreiches Projekt. Nach dem Motto: Wir setzen euch die Pistole auf die Brust – entweder ihr schwenkt auf unsere politischen Linie oder wir killen euch. Russland lässt grüßen. Ein schönes Verständnis von Meinungsvielfalt ist das. Das Stupa erweist sich damit nebenbei einen Bärendienst (denn die Zeitung ist nicht nur mit externen Preisen ausgezeichnet, sondern auch bei den Studierenden und Lehrenden ziemlich beliebt), von seriösem Verhalten einer gewählten studentischen Vertretung ganz zu schweigen (allerdings gewählt von nur knapp 7 Prozent der Studierenden, vielleicht sollte man sich auf Seiten des Stupa mal Gedanken machen, warum das so ist).

     

    Jede andere Uni wäre stolz so eine Zeitung zu haben! Man kann der Redaktion nur großen Respekt zollen, dass sie bei diesem stümperhaften Herausgeber nicht schon lange hingeschmissen hat!