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Studenten satt, aber unbelesen

Jura-Studenten organisierten hausfriedensabträgliches eat-in in der Gerichtskantine hier bitte das Foto mit dem Mann mit dem Juristen-Hut  ■ 

Foto: Herve Maillet

Auch studentische Kämpfe beginnen „c.t.“. Mit standesgemäß akademischer Viertelstunden-Verspätung sorgten gestern rund 50 angehende RichterInnen, Notare und StaatsanwältInnen sowie zwei großformatige Transparente für ungewohnt beengte Verhältnisse in der Kantine des Bremer Amtsgerichts. Seitdem die Bremer Universitätsmensa dazu übergegangen ist, ihre StudentInnen mit Bundeswehr-Freßpaketen (Aufschrift „Ein -Mann-Packung, Typ II“) ins Wochenende zu entlassen, scheuen die Nachwuchsjuristen selbst weitere Wege nicht, um sich einmal richtig antimilitaristisch satt zu essen. Immerhin: Über sieben Treppen mußte gehn, wer sich gestern unbefugtermaßen nach grünen Bandnudeln mit Backobst oder Thüringer Bratwurst mit Kartoffelpüree und Rotkohl, nur für Gerichtsbedienstete anstellen wollte.

Amtsgerichtspräsident Ulrich Trzeba - von den offensichtlich wenig praxisnah ausgebildeten StudentInnen fälschlich als „Hauswart“ identifiziert - zeigte allerdings wenig Herz für „hungernde“ StudentInnen in seinem Amtsgebäude, dafür über juristische Sattelfestigkeit in Sachen „Hausfriedensbruch“: Trezba laut: „Ich mache Sie hiermit darauf aufmerksam, daß ich das Hausrecht ausübe. Bitte verlassen Sie sofort die Kantine.“ Und halblaut zu einem Gerichtsbediensteten: „Polizei und Wachtmeister alarmieren!“ Allerdings zeigten sich weder die Polizei noch die in Rosenkohl und Salatteller vertieften StudentInnen sonderlich beeindruckt von den Anweisungen Trezbas: Die einen kamen nicht, die anderen gingen nicht. Stattdessen aßen die Studenten brav ihre Portionen auf, bedankten sich artig für die gewährte Gastfreundschaft und luden zu einem Gegenbesuch in der Uni -Mensa ein.

Zumindest „ordnungswidrig“ verhielten sich die Bremer Jura -Studentenen auch bei Teil II ihrer Aktionen während der Uni -Streiktage. Denn auf den Glastüren der Gerichtsbibliothek steht unübersehbar „nicht öffentlich“. Trotzdem versorgten sich die StudentInnen - inzwischen mit vollen Mägen - mit aktueller Fachliteratur aus den Präsenzbeständen der Gerichtsregale. Begründung gegenüber den verdutzten Bibliothekaren: Die Uni-Bibliothek ist allenfalls ein „modernes Antiquariat“. Umso enttäuschter die Studenten -Gesichter, als ihre Inhaber sich mit sorgsam ausgewählten Bücherstapeln unterm Arm belehren lassen mußten: „Ausleihe leider nur für Behördenangehörige und Gerichtsreferendare“. Und noch einen Tip holten sich die Studenten ab: „Rennt doch mal den hohen Herren die Bude ein.“ Ein erster Versuch dazu scheiterte gestern: Oberlandgerichts-Präsident Helmut Heinrichs, auch zuständig für die Bremer Referendar -Ausbildung, weilte beim Besuch der Studenten in seiner Behörde „leider nicht im Amt“.

K.S.

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