piwik no script img

Studenten gegen „PR-Gespräche“

■ Chinesische Studenten verurteilen Gespräche mit der Pekinger Führung als Propaganda / Parteiführung sichert Demonstranten Straffreiheit zu / Studenten sehen Forderungen nicht erfüllt

Peking (afp/taz) - Anstelle der Schimpfkanonaden auf die streikenden Studenten ist in den chinesischen Medien die Dialogbereitschaft der Regierung in den Vordergrund gerückt. In voller Länge übertrugen der staatliche Rundfunk und das Fernsehen am Wochende die dreistündigen Gespräche der KP -Führung mit Vertretern der offiziellen Studentenverbände. Der Pekinger Stadtparteichef Li Ximing sagte den Teilnehmern der Demonstrationen gar Straffreiheit zu. Regierungssprecher Yuan Mu versicherte darüber hinaus: „Die Forderungen der Studenten nach einer schnelleren Demokratisierung des Landes, einer Vertiefung der Reformen und der Abschaffung der Korruption stimmen völlig mit der Politik der Regierung überein.“ Obendrein lud Pekings Bürgermeister Chen Xitong die Studenten ein, sich an den Ermittlungen gegen offizielle Korruption zu beteiligen. Bei den Untersuchungen sei bislang aufgedeckt worden, daß zahlreiche Funktionäre aus Partei und Regierung zusätzlich in 229 Pekinger Firmen beschäftigt gewesen seien. Die Betreffenden sollten nun entweder ihren Job oder die Partei verlassen.

Ein Sprecher des unabhängigen Studentenverbandes, der seinen Namen nicht genannt wissen wollte, verurteilte indes am Montag die bisherigen Gespräche mit ausgesuchten Hochschülern als Versuche der Führung, die Protestbewegung zu beschwichtigen. „Bisher ist noch kein Einlenken der Regierung in Sicht“, faßt eine Jura-Studentin, Mitglied der provisorischen Studentenvertretung, zusammen. „Die Regierung hat bisher nicht die kleinste Forderung erfüllt. Auf Befehl Deng Xiaoping ist die 38. Division vor die Tore Pekings verlegt worden. An kleineren Hochschulen wird massiver Druck auf die Streikenden ausgeübt, den illegalen Studentenorganisationen drohen nach wie vor Repressionen.“ In Shanghai wurde der Chefredakteur der 'Weltwirtschaftsnachrichten‘ wegen kritischer Berichterstattung entlassen. Trotzdem ist die Stimmung an den Universitäten keineswegs gedrückt. Aktionen zum 70. Jahrestag der 4. Mai-Bewegung werden vorbereitet. Damals waren es ebenfalls die Studenten, die mit Demonstrationen und Streiks für Demokratie und Freiheit den Auftakt zur „neudemokratischen Revolution“ lieferten. Sie sind entschlossen, erneut erfolgreich zu sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen