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Stromsparen ist wie Hummeressen

Gegenkongreß zur Weltenergiekonferenz in Montreal: Wichtigste Energiequelle ist der Stopp der Vergeudung  ■  Aus Montreal Georg Loeser

Der Besuch beim „großen Bruder“ bildete den Auftakt. Eine 80köpfige Delegation der Gegenkonferenz zum großen Weltenergiekongreß in Montreal mischte sich mit Trommeln, Folkmusik und Gingkobaum unter die 4.000 Teilnehmer der offiziellen Konferenz, um ihr Mißfallen an der inhaltlichen Ausrichtung dieser Mammuttagung kundzutun: „Der Schlüssel für eine gute Zukunft der Welt ist ein dramatischer Wandel zu einer effizienteren Energienutzung und ein schneller Übergang zu erneuerbaren Energiequellen“, sagte Gordon Edwards, Sprecher der Green-Energy-Conference an die Adresse des Megawatt-Clans.

350 Teilnehmer aus 20 Ländern sind zu der Gegenkonferenz gekommen, zwei Drittel davon aus den USA und Kanada und acht Teilnehmer aus der Bundesrepublik. „Energiepolitik ist viel zu wichtig, um sie den Experten zu überlassen“, gab der luxemburgische Grüne Jup Weber die Parole aus. Insgesamt aber war das Echo für die Gegenkonferenz außerhalb Nordamerikas doch enttäuschend und zu gering, um den selbstgestellten Anspruch als „Korrektiv“ der Weltenergiekonferenz wirklich erfüllen zu können.

Der amerikanische Energie-Pionier Amory Lovins und Amulya Reddy vom Bagalore-Institute in Indien sind die Stars dieses Gegenkongresses. Lovins, Vordenker des sanften Energiepfades, glänzte mit seiner Darstellung von der „Effizienz-Revolution“ beim häuslichen und industriellen Stromverbrauch. Allein durch die neue Generation von Birnen und die verbesserten Elektromotoren sei ein Einsparpotential von rund 100.000 Megawatt, das entspricht 100 großen Atomkraft-Blöcken, verfügbar. Beleuchtung und Elektromotoren würden rund die Hälfte des nationalen Stromverbrauchs der USA bestreiten, sagte Lovins. Er sprach von einer wirklichen „Stromspar-Revolution“ von äußerster Wirtschaftlichkeit. „Stromsparen ist wie Hummeressen“, lockte Lovins. Wer systematisch vorgehe, komme zum höchsten Genuß und könne „alles essen“. Nach Lovins Einschätzung ist die Umstellung zu einer höheren Energie-Effizienz in acht US-Bundesstaaten bereits in Gang gekommen. Der Megawatt-Markt, also der Bau immer neuer Stromerzeugungsanlagen, werde verdrängt von einem neuen „Markt der Effizienz“, von einem Wettbewerb um die Verwirklichung der wirtschaftlichsten Einsparpotentiale. Erste Erfolge der Einsparstrategien seien schon sichtbar geworden. Lovins nannte Zahlen aus dem US-Vorzeige-Städtchen Osage in Iowa, wo auf die einzelnen Haushalte umgerechnet im Jahr rund 1.000 Dollar pro Familie an Energiekosten eingespart worden seien.

Amulya Reddy hat die moderne Energie-Analytik auf die Situation Indiens übertragen. Seine Empfehlung für die indische Energiepolitik konnte nach Lovins Vortrag niemand mehr überraschen: Die beste Energiequelle ist der Stopp der Energievergeudung, also Energiesparen durch mehr Effizienz.

Daß die Atomenergie die falscheste Antwort auf den Treibhauseffekt ist, wurde in verschiedenen Vorträgen immer wieder herausgestellt. Der bundesdeutsche Redner des Bund für Umwelt- und Naturschutz hat für mitteleuropäische Verhältnisse hochgerechnet, daß mit demselben Kapitalaufwand fünfmal mehr Treibhausgas CO-2 vermieden wird, wenn man ihn statt in Atomkraftwerke in Energie-Sparstrategien investiert.

Wie sehr Kanada, der Ausrichter dieser Weltenergiekonferenz, an seinen energiebedingten Umweltproblemen leidet, machten vor allem die Sprecher der Indianer klar: versauerte Seen im Nordosten, gigantische Staudämme, die die Jagdgründe unter Wasser setzen, und vor allem die riesigen Abraumhalden des Uranabbaus mit Hunderten Millionen Tonnen strahlender Berge in Ontario und Nord -Saskatchewan auf Indianerland. Matthew Coon Come, der Grand -Chief der 10.000 James-Bay-Cree-Indianer, und Johnnie Uitangak von den Inuit beschworen eindringlich, ihre Völker nicht mehr länger mit den Megawatt-Maschinen zu bedrohen.

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