: Strommonopol mit Netz und doppeltem Boden
■ Am Wochenende herrschte weiter Unklarheit über die Übernahmepläne der DDR-Energiewirtschaft durch die drei bundesdeutschen Konzerne PreussenElektra, Bayernwerke und Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk / Teure Pannenzentrale von Greifswald aus dem Vertrag ausgegliedert
Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) - DDR-Umweltminister Karl-Hermann Steinberg (CDU) ist offenbar weiter entschlossen, die bundesdeutschen Strommonopolisten PreussenElektra, Bayernwerke und Rheinisch -Westfälisches Elektrizitätswerk als alleinige Herren über die Energiezukunft auf dem Gebiet der DDR einzusetzten. Steinberg allein vertritt die DDR, die „Treuhandanstalt zur Verwaltung des Volkseigentums“ und die DDR -Energieversorgungsunternehmen bei den Verhandlungen mit den West-Unternehmen.
Unklar blieb am Wochenende die Bedeutung eines Beschlusses der Ostberliner Volkskammer, der am Freitag abend unter chaotischen Begleitumständen zustande gekommen war. In einer kurzfristig einberufenen, nur vierminütigen (!) Sondersitzung hatte sich das DDR-Parlament darauf verständigt, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Untersuchung der handstreichartigen Übernahmepläne zu bilden. Formal allerdings kann der Vertrag nach Auffassung der Regierung de Maiziere auch ohne parlamentarische Zustimmung in Kraft treten. Dies sollte am heutigen Montag geschehen.
Der Vertrag, der in einer aktualisierten Fassung der taz vorliegt, sieht die mehrheitliche Übernahme der DDR -Energieunternehmen durch die drei westlichen Großkonzerne vor. Dabei wollen die führenden Stromunternehmen der Bundesrepublik maximal 300 Millionen D-Mark an Verlusten der DDR-Energiewirtschaft übernehmen und mit „bis zu insgesamt 2 Milliarden D-Mark“ zur Sanierung der Kraftwerke beitragen.
Die „Gewinnsicherung“, die ursprünglich die „Regierung der DDR (...) durch Ausgleichszahlungen an die Energieversorgungsunternehmen sicherstellen“ sollte, taucht in der aktualisierten Fassung des Vertrags nicht mehr explizit auf. Allerdings sichern sich die West-Unternehmen mit anderen Bestimmungen gegen jedes größere Risiko ab. So heißt es in Paragraph 2, Absatz 2: „Das laufende Geschäft, einschließlich der Sicherstellung der dafür erforderlichen Liquidität, bleibt Aufgabe des jeweiligen DDR -Energieversorgungsunternehmens (...).“ Außerdem bleibt es bei der Absicht, entsprechend den Bestimmungen des deutsch -deutschen Umweltrahmengesetztes eine „Freistellung der neuen Mehrheitseigner von jeglichen Altlasten zu erreichen.“
Für Empörung unter Gegnern des Vertrags sorgt insbesondere eine Passage, mit der in Erwartung milliardenschwerer Folgekosten ausgerechnet die maroden Pannenreaktoren der Atomzentrale Greifswald aus dem Übernahmewerk ausgenommen werden sollen. O-Ton Paragraph 3: „Nicht erfaßt sind die Kraftwerksblöcke 1 bis 4 des KKW Greifswald sowie das Kernkraftwerk Rheinsberg (soll 1992 stillgelegt werden, Red.), die in eine eigenständige Kapitalgesellschaft ausgegliedert werden, deren Anteile weder unmittelbar noch mittelbar von einem DDR-EVU, an dem die westdeutschen Energieversorgungsunternehmen Anteile erwerben, übernommen werden.“
Auch mit den im Bau beziehungsweise im Probebetrieb befindlichen Reaktorblöcken 5 bis 8 und den Blöcken 1 und 2in Stendal wollen die Wessis so lange nichts zu tun haben, wie sie außer Milliarden an Baukosten und Ärger mit den atomrechtlichen Genehmigungsbehörden nichts produzieren. Die „Geschäftsbesorgung übernehmen“ wollen sie allerdings „sobald für diese Kraftwerksblöcke eine bestandskräftige Dauerbetriebsgenehmigung nach (bundesdeutschem, Red.) Atomrecht sowie der Garantienachweis des Generalunternehmers vorliegt“.
In weiten Passagen entspricht der der tageszeitung vorliegende Entwurf Vorgaben des Bonner Wirtschaftsministeriums, die ebenfalls am Wochenende bekannt wurden. Danach werden Gegner der sich anbahnenden Machtkonzentration im gesamtdeutschen Energiesektor mit der vagen Absicht „einer späteren Entflechtung nach Abschluß der Sanierungsphase“ geködert. So ist in Paragraph 16 des Vertrages von einer Prüfung der „Entflechtung auf Verbundebene“ nach „frühestens zwölf Jahren“ die Rede.
Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Harald Schäfer, bezeichnete die Strompläne als „ersten Schritt zu einem vollständigen Strommonopol bis zur Glühbirne“. Die im Gegenzug von den Westunternehmen angebotenen Mittel zur ökologischen Sanierung der DDR -Energiewirtschaft reichten nicht annähernd aus. Der Energieexperte der grünen Bundestagsfraktion, Eckhard Stratmann, bezeichnete die Übernahmepläne als „bruchlosen Übergang vom Realsozialismus zum Stamokap“.
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