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Stromkonzerne tricksenKein Atomausstieg mehr vor der Wahl

RWE und EnBW umgehen die fällige Abschaltung dreier Akws, indem sie sie länger Durchchecken lassen als nötig. Sie setzen darauf, dass Union und FDP die Wahl gewinnen.

Noch zu retten: RWE kämpft um Biblis mit allen Tricks. Bild: ap

Atomkraftgegner hatten es schon befürchtet, nun ist es Gewissheit: Vor der Bundestagswahl im Herbst 2009 wird kein einziges deutsches Atomkraftwerk mehr stillgelegt werden. Um den gesetzlichen Ablauf der Betriebsgenehmigung zu vermeiden, nehmen die Betreiber die betroffenen Akws einfach vom Netz.

Wie der Kraftwerksbetreiber RWE auf seiner Internetseite mitteilt, wird der Reaktor Biblis A vom 27. Februar bis zum 15. September 2009 ruhen, sein Schwesterreaktor Biblis B vom 31. Januar bis zum 30. Mai 2009. Wegen Revision, wie es heißt. EnBW hat unterdessen den Meiler Neckarwestheim I bereits vor einer Woche unter anderem für eine "umfangreiche Wartung des Drehstrom-Generators" vom Netz genommen.

Damit können die beiden Konzerne ihre Kraftwerke über den Wahltag hinaus retten. Der Grund liegt in den Detailsdes Atomausstiegsgesetzes: Dort sind nicht Restlaufzeiten, sondern Reststrommengen festgelegt. Ein Kraftwerk, das monatelang außer Betrieb ist, kann damit seine Laufzeit entsprechend in die Länge ziehen.

Das Bundesumweltministerium kalkulierte auf seiner Internetseite die Restlaufzeit für Biblis A zwar am Wochenende noch auf 316 Tage und für Neckarwestheim auf 300 Tage, was ein Abschalten vor der Wahl bedeutet hätte - doch diese Rechnung ist nun Makulatur.

Schon länger produzieren die deutschen Akws nicht so viel Strom, wie sie könnten. Das liegt zum Teil auch an gravierenden technischen Mängeln. So produzierten die deutschen Atomkraftwerke vergangenes Jahr nur 76 Prozent der möglichen Strommenge.

Zwar kommt ein solcher Stillstand die Konzerne teuer zu stehen. Doch wenn der Reaktor sein Reststromkontingent erst einmal verbraucht hat, dann erlischt laut Atomgesetz automatisch seine Betriebsgenehmigung - und zwar endgültig. So spekulieren die Betreiberkonzerne einmal mehr auf einen Wechsel zu einer atomfreundlicheren Bundesregierung. Die Kosten der jetzigen Stillstandszeiten, so das Kalkül der Stromkonzerne, werden ihnen nach der Wahl durch längere Laufzeiten vergoldet. "Betriebswirtschaftliche Optimierung" nennt man das im Hause EnBW.

Mit dieser Entscheidung macht die Stromwirtschaft den Atomausstieg zum Wahlkampfthema. Ohnehin könnte der Ausstiegsbeschluss in der kommenden Legislaturperiode zum ersten Mal so richtig Wirkung zeigen. Sollte die kommende Bundesregierung weiterhin zum Atomkonsens aus dem Jahr 2000 steht, werden nämlich vier Anlagen definitiv vom Netz gehen müssen: neben den beiden Biblis-Blöcken und Neckarwestheim I auch das Akw Brunsbüttel. Die Kraftwerke Isar I und Unterweser sind weitere mögliche Abschaltkandidaten.

Ob es den Atomkonzernen und den ihnen nahestehenden Parteien CDU und FDP wirklich recht sein kann, dass die Atomkraft im Wahlkampf nun unweigerlich in den Fokus rückt, darf indes bezweifelt werden. Denn damit kommen zwangsläufig weitere Fragen auf die Tagesordnung: Die Atomzwischenlager an den Kraftwerksstandorten zum Beispiel.

Deren Größe bemißt sich an den vorgesehenen Laufzeiten. Folglich müßten die Lager bei einer Laufzeitverlängerung entsprechend ausgebaut werden - was erhebliche Proteste an den Standorten hervorrufen dürfte. So hat sich zum Beispiel der Bürgermeister von Neckarwestheim genau deswegen bereits gegen eine Verlängerung der Laufzeit ausgesprochen, wie das Magazin Spiegel vor wenigen Wochen zu berichteten wußte. "Dann schalten wir auf stur."

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9 Kommentare

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  • EA
    Euklides Al-Biruni

    Jeder zusätzliche Tag ist ein zusätzliches Unfall-Risiko, ggf. ausgelöst durch einen Anschlag, durch menschliches Verssagen etc, ist außerdem ein Tag zusätzlicher Atommüllproduktion.

    --

    @ Bürger G: Ich sehe nicht, wo Sie Anne beleidigt haben soll. Sie strahlen ja wirklich schon wieder, z. B. mit Ihren Smileys, außerdem auch mit den Strahlen, die Sie permament an die Umgebung abgeben, da ich annehme, Sie haben nicht die Temperatur von 0 Kelvin.

     

    Aber mal im Ernst: Ihre 50 g Behauptung ist für die aktuellen Typen von CdTe Dünnschichtzellen, auf die Sie offenbar anspielen, falsch, außer dann, wenn sie gleich mehrere Schichten je Quadratmeter übereinanderlegen. Dann sollten Sie aber gleich Kubikmeter angeben.

     

    Wir können uns aber evtl. darin e i n i g e n , dass wir ein sofortiges Verbot solcher Zellen fordern (nebst einem Verbot von großen Transit Lkw, denn in 30 Jahren - so lange halten PV Zellen richtig installiert - gibt ein großer Lkw ähnlich viel Cd an die Umwelt ab, wie solche Zellen je m² enthalten).

     

    "Müllheizkraftwerke" als EE zu klassifizieren haben sich wahrscheinlich Leute einfallen lassen, die das Märchen von ausreichend wirsamen Filtern geglaubt haben. Aber diesem Sprachgebrauch muss niemand jenseits davon folgen. Schließlich haben wir ja nicht Orwells 1984.

     

    "(...) grundlastfähig (...)". Bitte tun Sie nicht immer so, als könnten nicht viele EE Anlagen zu regionalen wie überregionalen, auch internationalen Grid Systemen kombiniert werden, natürlich inklusive Pumpspeicherkraftwerken und anderen Speichern. Und wissen Sie wirklich nicht, dass z. B. mit wachsender Anzahl u. geograph. Streuung von Windrädern, Wasserkraftwerken etc. die Schwankungskurven glatter werden? Auch die Wirkungsgrade steigen, aktuell vgl. z.B:

    http://www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1033960

     

    "(...) diese Mrd Investitionen muss eine Volswirtschaft erstmal erwirtschaften (...)"

    Das in der BRD aktuell vorhandene Kapital in Sach- u. sonstigen Vermögensformen, wird doch tgl. für viel blödsinnigere Dinge verwendet, warum nicht mal für was nützliches? Es betrug übrigens schon vor 9 Jahren mehr als 7 Billionen DM. Die aktuelle Zahl habe ich leider gerade nicht im Kopf. Damals war übrigens allein auf die reichsten 10% mehr als 41% dieser 7 Bio.+x konzentriert. Davon abgesehen:

     

    EE (wie gesagt ohne Müllverbrennung) schaffen nachweislich sowohl neue Arbeitskräfte, als auch beleben sie die Konjunktur. Das bestreitet kein einziger mir bekannter Wirtschaftsprofessor. Nennen Sie mir bitte einen, falls Sie einen wissen.

     

    "(...) Strom zu produzieren, den sich der einfache Bürger leisten kann (...)". Sie vergessen die Kosten der Urankraftwerke, die in keiner Stromrechnung auftauchen, vgl. Atommüll für 1,1 Mio Jahre und ggf. auch erst anfallen, wenn es dann zu spät ist (z.B. im Fall eines GAU), aber als Versicherungskosten unbezahlbar wären, daher erst gar nicht versichert werden.

  • BG
    Bürger G.

    ach Anne: Wieso fängst du eigentlich immer gleich mit Beleidigungen an?, weil deine Argumente hinken?!

     

    Du hast recht und sorry, es gibt EE die grundlastfähig sind, nur früher hießen die mal Müllheizkraftwerke: jetzt sind es Maschinen zur Energetischen Müllverwertung! ;-)

     

    und wie immer muss ich anführen, dass man natürlich die EE forcieren muss, die Netzanbindung ausbauen muss, Pumpspeicherkraftwerke bauen muss... und diese Mrd Investitionen muss eine Volswirtschaft erstmal erwirtschaften (im Zuge der Finanzkrise und des Abschwungs), deshalb ist es dringend nötig, den Strom günstig zu halten und das geht nur mit einer LAUFZEITVERLÄNGERUNG! .... dann können wir es vielleicht schaffen im Jahr 2030 rel. günstigen EE Strom zu produzieren, den sich der einfache Bürger leisten kann!

     

    [zu deinem Kommentar zu den PVs: CADMIUMtellurid-Solarzellen sind real! Natürlich gibt es Alternativen, aber die CdTe-Zellen sind halt günstig in der Herstellung ;-) ]

  • A
    Anne

    Ach Bürger G. (Kommentar unten) strahlt schon wieder. Seine pauschale Behauptung, EE seien nicht Grundlastfähig, ist falsch.

     

    Voraussetzung ist einfach, dass EE stärker als bisher ausgebaut werden (Nutzung existierender und neuer Speichertechnologien, sowie Verschaltung zu Grid Systemen setze ich hier als selbstverständlich voraus).

     

    A propos Unwissenheit: Neulich (am 30.09.2008 17:41 Uhr zu einem anderen Artikel) hat Bürger G. allen ernstes behauptet, Solarenergie sei zwangsläufig in jedem Fall mit einer Schwermetallbelastung von "50g Cd pro m²" verbunden.

     

    Das ist aber sowohl speziell für Photovoltaik, als auch für Solarenergie im Allgemeinen falsch.

     

    Natürlich ist niemand allwisssend, aber zugleich mit einem derartigen Brustton der angeblichen Besserwisserei in dieser Sache zu prahlen, ist dann echt krass.

  • V
    vic

    Solange abgeschriebene Meiler fette Gewinne einfahren, wird es keinen Atomausstieg geben. Nicht mit dieser Regierung und nicht mit der Nächsten. Weil das nahezu dieselbe sein wird.

  • BG
    Bürger G.

    Folgende Im Artikel gemachte Behauptungen sind falsch:

    1.)"länger Durchchecken lassen als nötig"

    ->Wie will JANZING denn wissen wie lange eine Revision zu dauern hat? Kennt er die Pläne für diese Revisionen?

    2.)"Schon länger produzieren die deutschen Akws nicht so viel Strom, wie sie könnten. Das liegt zum Teil auch an gravierenden technischen Mängeln."

    -> Woher will denn JANZING das nun wieder wissen?

    Die Deutschen Kernkraftwerke sind weltweit die Kraftwerke mit der besten Verfügbarkeit, sogar eines der ältesten Kraftwerk Biblis (B) wird wohl dieses Jahr die beste Verfügbar keit bei DWRs in Deutschland haben!

     

    zu Einigen Kommentaren: Die Stromlücke endsteht nur deshalb nicht, weil wie bei jeden Revisionen und jedem Jahr, von den Kraftwerksbetreibern geplant wird, welche Anlagen wie lange vom Netz gehen! Des Weiteren wird dann eben mehr Strom aus den "BÖSEN" Kohlekraftwerken produziert und damit mehr CO2, denn die EE können leider keine Grundlast decken!

     

     

    ...bleibt zu hoffen, dass im Zuge des Klimawandels und der Finanzkrise, sich auch die SPD endlich mal für Laufzeitverlängerungen ausspricht, denn der Kernkraftwerksstrom ist SICHER, GÜNSTIG und UMWELTFREUNDLICH ;-)

  • W
    winchester73

    Die warten so lange mit dem Abschalten, bis doch ein Terroranschlag gelingt oder aus anderen Gründen ein größerer Unfall passiert.

     

    Für den Fall, dass einmal einer dieser Katastrophen eintritt, sollten wir uns schon heute alle AKW Befürworter_innen sehr gut merken!

  • HW
    Hans Wedelstädt

    Ist doch seltsam. Da wird von der Atomindustrie immer behauptet, der Atomausstieg führt zu Stromengpässen und dann werden einfach mal 3 Kraftwerke vom Netz genommen und alles läuft normal weiter. Warum dann nicht für immer abschalten?

  • HG
    Holger Grimrath, Dipl.-Ing.für Architektur und Stadtplanung

    dass sich die Abschaltung deutschlands ältester Atomreaktoren verzögert, muss ich als auf Sicherheit bedachter Bürger dieses Republik, der im Einzugsbereich eines dieser Schrott-atomreaktoren lebt, strikt ablehnen.

     

    Noch vor einigen Monaten entnahm ich den Medien, dass die Betreiber RWE fuer BIBLIS 1 und EnBW fuer GKN 1 diese Altakws in ihrer Laufzeit um Jahre zu verlängern beantragten.

     

    Als Bürger dieser Republik, die nicht hinter die Kulissen schauen können, müssen wir nun mit Erstaunen den neuesten Nachrichten entnehmen, dass diese Altreaktoren selbst von eben diesen Betreibern als derart unsicher eingestuft werden, dass diese noch nicht einmal ohne halbjährige teuerste Revision ihre Restlaufzeit nutzen können.

     

    Dies zeigt, dass das Weiterbetriebsverlangen der Betreiber eine Farce darstellte, mit der die Dummheit und Erpressbarkeit der CDU als Teil der derzeitigen grossen Koalition ausgelotet werden sollte.

    Meines Erachtens sollten keine Gelder in Weiterbetriebsrevisionen dieser Altreaktoren gesteckt werden. Diese sollten als hochrangige Risikofälle umgehend abgeschaltet werden. Die Reststrommenge kann auf modernere AKWs uebertragen werden, bis in wenigen Jahren auch deren Stromproduktion durch den Kopplungseffekt des Erneuerbar Energie erzeugenden "Kombikraftwerk.de" und Energieeffizienz in Herstellung und Nutzung allen Energieverbrauchs ersetzt werden.

     

    Ich hoffe darauf, dass sich zahlreiche Mitmenschen meinen Forderungen anschliessen, und die zuständigen Fachgremien sich entsprechend verhalten und die sofortige Abschaltung dieser Risikoreaktoren verfügen.

     

    Mit freundlichen Gruessen

    Holger Grimrath

  • EW
    eatthe wiesel

    upps, das ist aber komisch. da erzählen uns die (atom)energiekonzerne und deren bezahlte marionetten in politik und medien, dass man auf keines der akw verzichten kann, weil sonst die energieversorgung nicht mehr gewährleistet ist und nehmen sie einfach 3-4 stück auf einen schlag vom netz. gehen jetzt morgen bei mir die lichter aus?

     

    danke ernergiekonzerne:

    quod erat demonstrandum