Stromausfall in China: Plötzlich ohne Licht
Zur Einhaltung der staatlichen Emissionsziele ist es in vielen Provinzen Chinas zu Stromausfällen gekommen – eine bedrohliche Gemengelage.
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In mindestens zehn Provinzen kommt es dieser Tage in China zu flächendeckenden Stromausfällen. Zunächst traf es vor allem Fabriken, die ihre Produktion einstellen mussten. Mehrere Zulieferer von Apple und Tesla im ostchinesischen Kunshan haben ihre Fabrikproduktion bis mindestens Freitag suspendiert, was laut der japanischen Publikation Nikkei Asia die Herstellung von iPhones bedrohen könnte.
Auf sozialen Medien lassen sich die Folgen des Strommangels beobachten: Einige Läden begrüßen ihre Kunden bei Kerzenlicht, Shoppingcenter schließen früher als sonst, Büros im tropischen Süden des Landes verzichten weitestgehend auf Klimaanlagen, und in der Provinz Guangdong sollen die Angestellten innerhalb der ersten drei Stockwerke nicht mehr den Aufzug benutzen.
Spätestens seit Sonntagabend schwappt die Energieknappheit von der Arbeitswelt auf den Alltag der Menschen über: So kam es nicht nur in mehreren Städten zu Stromausfällen in Wohnanlagen, auch Ampelanlagen und Straßenbeleuchtungen sind teilweise ausgefallen, was zu Verkehrschaos geführt hat. All das beweist, wie ernst die Lage ist.
Staatliches Emissionsziel sind ein Grund
Die Gründe für die Stromausfälle sind zumindest teilweise hausgemacht. So möchte die Regierung in Peking einerseits ihre Emissionen drastisch reduzieren und verlangt von Lokalregierungen, ihren Energieverbrauch zu drosseln. Schließlich hatte Staatschef Xi Jinping im letzten Jahr erst angekündigt, bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen. Fast alle Provinzen haben die ausgegebenen Ziele für das laufende Jahr jedoch deutlich überschritten, was nun den Druck erhöht, den Konsum stark zurückzufahren.
Das Wirtschaftsmagazin Caijing berichtet jedoch, die Hauptursache des Problems sei eine tatsächliche Energieknappheit, insbesondere von Kohle. Dies wiederum hat mehrere Gründe: Im Zuge eines Handelsstreits mit Canberra hat Chinas Staatsführung angeordnet, die Kohleimporte aus Australien drastisch zurückzufahren. Zudem ist die Kohlezufuhr aus der Kernregion Innere Mongolei stark eingebrochen, nachdem die Aufsichtsbehörden dort in den letzten Monaten eine strikte Anti-Korruptions-Kampagne lanciert hatten. Und nicht zuletzt steigt die Nachfrage nach Heizenergie im Nordosten des Landes, nachdem es dort früher als gewöhnlich zu winterlichen Temperatureinbrüchen kam.
Emissionsziele der Regierung
All dies ist eine bedrohliche Gemengelage für die Energiesicherheit des Landes. Dass sich die Lage bald erholt, scheint unwahrscheinlich. Schließlich ist die Kohleverbrennung in vielen chinesischen Kraftwerken auch deshalb zurückgegangen, weil die Rohstoffpreise derzeit auf Rekordniveau sind. Mehrere Finanzdienstleister haben ihre Wirtschaftsprognosen für die Volksreublik für das laufende Jahr bereits nach unten korrigiert. Die japanische Nomura Holding ging vor wenigen Tagen von einer Expansion des chinesischen Bruttoinlandsprodukts von 8,2 Prozent aus, nun rechnet man mit 7,7 Prozent – und hält weitere Anpassungen für denkbar.
Am schlimmsten ist die Lage in der Region „Dongbei“, dem kontinental geprägten Nordosten. In der dortigen Provinz Jilin berichten lokale Medien, dass sich die Bevölkerung bis in den kommenden März hinein auf weitere Einschränkungen einstellen solle, was Strom- und Wasserausfälle anbelangt. Der Gouverneur der Provinz hat bereits gewarnt, dass Stromausfälle unbedingt vermieden werden müssen. Denn bei Minustemperaturen von über 20 Grad in der Nacht sind diese für Millionen Einwohner regelrecht lebensbedrohlich.
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