: Strittige Vergleichsmieten
■ Bausenator hält Mieterhöhung im Osten für vertretbar / Einkommen gestiegen
Die für Juli diesen Jahres geplante Einführung des Vergleichsmietensystems ist zum Streitfall geworden. Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) verteidigte gestern den Kompromiß der Ost-Bauminister, der vor der Abschaffung der staatlich festgelegten Mieten in den neuen Ländern noch eine Mieterhöhung um 20 Prozent vorsieht. „Die Einkommen“, stellte Nagel gestern eine Studie des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik vor, hätten in Ostberlin 89 Prozent der Westeinkommen erreicht. Ein moderater Anstieg der Mieten sei deshalb vertretbar.
Ähnlich wie in Westberlin nach Abschaffung der Mietpreisbindung soll in den neuen Ländern ab Juli der „Markt“ die Mieten regeln. Eine Begrenzung bei Neuvermietungen ist bislang nicht vorgesehen. Zeitlich gebremst werden soll der dann zulässige Mietanstieg nur durch eine Kappungsgrenze von 20 Prozent in drei Jahren. Luxusmodernisierungen sollen allerdings nicht wie bisher zu Buche schlagen. Nur noch drei Mark pro Quadratmeter sollen nach privaten Modernisierungen künftig auf die Miete aufgeschlagen werden.
Voraussetzung für die Einführung der Marktmiete ist laut Einigungsvertrag ein entsprechender Anstieg bei den Einkommen. Die von Nagel vorgelegte Studie geht von einem Zuwachs der durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommen seit 1993 von 11,8 Prozent aus. Die Mieten hingegen, meinte Nagel, seien im gleichen Zeitraum lediglich um 5,4 Prozent gestiegen. Im Vergleich zu den Westberliner Sozialwohnungen seien die Mieten im Ostteil der Stadt dagegen noch immer um 16 Prozent billiger. Die Durchschnittsmiete im Westberliner Altbau freilich hatte der Bausenator nicht parat.
Daß bei der Einführung des Vergleichsmietensystems noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, räumte gestern auch Nagel ein. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung liege noch nicht vor, der Zeitplan bis Juli sei denkbar knapp. Eine Mieterhöhung zum Juli, meinte Nagel, sei allerdings auch im Hinblick auf die Wohnungsbaugesellschaften sinnvoll. Dann nämlich wird den städtischen Vermietern eine Mark pro Quadratmeter für die Tilgung der Altschulden abgezogen.
Unterdessen hat die Opposition im Berliner Angeordnetenhaus in der gestrigen aktuellen Stunde die geplante Mieterhöhungen kritisiert. Ein Drittel der ostdeutschen Haushalte, meinte die bündnisgrüne Bauexpertin Elisabeth Ziemer, habe weniger als 1.800 Mark Einkommen und würde weitere Mieterhöhungen nicht verkraften. Die PDS forderte ein Mietenmoratorium bis 1996. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen