: Streusalz auf Fischhaut
Psychothriller für Theaterbesucher ab 14 Jahren: „FSK 16“ hatte Premiere im Moks
Stipe sagt Sachen wie „Mein lieber Herr Gesangsverein“ oder „zum Bleistift“. Außerdem geht er jede Woche alleine ins Kino. Das reicht für die 15-jährigen Freundinnen Kirsten und Figen aus, ihn zum Freak zu erklären. Sie treffen Stipe im Kino, Kapuze über eingezogenem Kopf, übergroße Jeans. Einen Film wird es diesmal aber nicht geben.
„FSK 16“ heißt das neue Stück von Kristo Šagor, am Samstag war Premiere im Moks. „FSK 16“ ist nach dem erfolgreichen „Fremdeln“ die zweite Zusammenarbeit zwischen Moks und dem jungen Lübecker Autor. Noch bis Mitte dieses Jahres ist Šagor Hausautor am Goethe-Theater.
Was in „FSK 16“ geschieht ist leicht zusammenzufassen: Thema ist alles, was seelisch weh tut. Drei Jugendliche versuchen im Zank um Überlegenheit ihre Schmerzgrenzen zu finden. Im Kinosaal unter sich beginnen Figen und Kirsten, wilde Geschichten zu erfinden und zielen Stipe wortreich ins Herz. Rund anderthalb Stunden Psychoszenerie – das zunächste harmlose Stell-Dich-Ein dreier Kinogäste gipfelt in einem erschütternden Geständnis Stipes, das zeigt: Die Mädchen sind zu weit gegangen.
Die Quelle krankhafter Ideen ist Kirsten (Christine Ochsenhofer). „Mit Haustieren“, sagt die Initiatorin der Intrige, „kann man gut üben wie man mit Menschen umgeht.“ Gleich darauf erläutert sie wie Lurche auf Teppichen vertrocknen, Fische auf Streusalz reagieren und wie Wellensittichherzen kollabieren. Ochsenhofer steht mit klimpernden Augen da und tut, als wäre alles normal, im grünen Bereich eben. In Wahrheit wollen Kirsten und Figen keinen Film sehen, sondern Tränen. Sie üben seelischen Terror mit Hilfe von Lügen, gespielter Coolness und Provokation. Stipe (Konradin Kunze) soll dabei die Hauptrolle spielen.
Zur Handlung nur soviel, denn „FSK 16“ gleicht einem guten Psychothriller: Wer den Knackpunkt schon kennt, kann genauso gut weiterzappen. In jedem Fall aber ist das Ränkespiel auf der Bühne mit einem hervorragend austarierten Spannungsbogen und der richtigen Prise unplumpen Humors versehen.
Einen dezenten Zeigefinger à la „jeder ist im Herzen gut“ konnten sich die Theatermacher aber doch nicht verkneifen – am Ende wendet sich Kirstens roher Charakter etwas verkrampft doch noch der Liebe zu. Aber das ist verzeihlich. Was bei „FSK 16“ dagegen deprimiert, ist die Vorstellung, dass es da draußen cliquenweise geschädigte Teenager wie Kirsten gibt.
Susanne Polig
Weitere Vorstellungen von „FSK 16“: 7. bis 9. sowie am 14. März und 4. April jeweils um 20 Uhr im Moks. Karten unter ☎ 0421 / 365 33 45