Streitbare Evangelikale: Fundi-Christen erhöhen Druck
Die Bundeszentrale für Politische Bildung will den evangelikalen Gruppen nach dem Streit um die Schülerzeitung jetzt mit einer eigenen Publikation ein Forum bieten.
Die "Informationen zur politischen Bildung" gehören zur Pflichtlektüre im Politikunterricht. Im nächsten Jahr werden Schüler nicht nur über die Bundestagswahlen, sondern voraussichtlich auch über Religionen lesen können und das Spektrum der evangelikalen Christen in Deutschland kennenlernen. Die Anregung kommt von evangelikalen Christen selbst und ist der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) nicht ohne Nachdruck vorgetragen worden.
Die Bundeszentrale, deren Aufgabe es ist, das demokratische Bewusstsein zu fördern und politische Mitarbeit zu stärken, steht zurzeit selbst im Fokus der Interessenpolitik konservativer Christen, Evangelikale genannt. Nach einem Gespräch mit dem Generalsekretär des Dachverbands Evangelische Allianz, Hartmut Steeb, sagte der Präsident der bpb, Thomas Krüger, zur taz: "Wir haben darüber geredet, wie man dem Wunsch nach mehr Differenzierung Rechnung tragen kann." Eine eigene Publikation der Bundeszentrale sei eine Möglichkeit. Darüber müsste die Bundeszentrale auf ihrer Kuratoriumssitzung im Januar entscheiden.
Steeb vertritt ein Netzwerk von 1,4 Millionen Evangelikalen, welches sich politisch einmischt und unter anderem ein Bekenntnis zur "christlichen Leitkultur" fordert. Evangelikale Gruppen hatten Mitte Dezember Krügers Rücktritt gefordert. Anlass war ein Artikel in der Schülerzeitung Q-rage, die von der Bundeszentrale unterstützt wird. In der aktuellen Ausgabe kritisieren die jugendlichen Autoren "erzkonservative, zum Teil verfassungsfeindliche Ideologien" unter den Evangelikalen. Die Zeitung wird bundesweit an alle Schulen verschickt. In einem Begleitschreiben hatte Krüger die Ausgabe empfohlen, in der sich interessante Informationen fänden, über "islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsrechte infrage stellen".
Schreiben und Artikel lösten einen entrüsteten Aufschrei in evangelikalen Gruppen aus, der dazu führte, dass Krüger sich nicht nur von seinem Schreiben, sondern auch von dem Artikel distanzierte. "Die pauschale Gleichsetzung von Islamisten und evangelikalen Christen war ein Fehler", meint Krüger auch weiterhin.
Doch auch nach seinem Kniefall lässt der Druck auf Krüger nicht nach: Der Vorsitzende des bpb-Kuratoriums und CDU-Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck und Hartmut Steeb von der evangelischen Allianz drängten darauf, Krügers Entschuldigung in der nächsten Q-rage abzudrucken und dem Thema Evangelikale eine Sonderausgabe zu widmen. Beide Begehren konnte Krüger zu Wochenbeginn in einem Gespräch mit Steeb allerdings zurückweisen: "Wir haben presserechtlich keinerlei Einfluss auf die Redaktion der Zeitung Q-rage." Auch von einem Streitgespräch zwischen den Jungautoren und Vertretern der Evangelikalen sei man mit Rücksicht auf die Jugendlichen abgerückt. Diese waren mit Anschriften und Fotos auf Internetseiten bibeltreuer Christen veröffentlicht und attackiert worden.
Die Zeitung Q-rage wird einmal jährlich von Schülern unter Anleitung von Journalisten konzipiert und vom Netzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" betreut. Die bpb unterstützt die Zeitung hauptsächlich, indem sie die Gehälter für die Mitarbeiter der Berliner Geschäftsstelle von "Schule ohne Rassismus" bezahlt. Der bpb-Präsident Thomas Krüger versicherte: "Die Finanzierung für das kommende Jahr steht."
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