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Streit um den Abriss des Electrolux-GebäudesWohnen konkurriert mit Arbeit

Das alte Electrolux-Gebäude soll abgerissen werden. Der Bezirk Altona will dort Wohnungen bauen. Eine Initiative verlangt stattdessen günstigen Gewerberaum.

Nicht schön, aber begehrt: das ehemalige Fabrikgelände von Electrolux an der Max-Brauer-Allee. Bild: Klaus Irler

HAMBURG taz | Eingeschlagene Fenster, Plakate und Graffiti: Das ehemalige Electrolux-Gelände zwischen Max-Brauer-Allee, Holsten- und Suttnerstraße macht einen trotstlosen Eindruck. Gleichwohl ist es Gegenstand großer Begehrlichkeiten. Der Bezirk Altona möchte an dieser Stelle die Wohnungsmisere lindern und das Gewerbegebiet entsprechend umwidmen. Dagegen wehrt sich Initiative Lux&Konsorten. Sie findet, es gebe ohnehin schon zu wenig günstige Gewerberäume in attraktiver Lage.

Bis in die frühen 90er Jahre produzierte die Firma Electrolux in dem gelb verklinkerten Gebäude Haushaltsgeräte. Anschließend wurde der Gewerbehof aus der Nachkriegszeit zwischengenutzt. Seit 2008 steht er leer. Der Bezirk will den gesamten Block, der über den leer stehenden Gewerbehof hinaus elf kleingewerblich genutzte Grundstücke umfasst, "gebietsverträglich" entwickeln. Die Pläne sehen eine gemischte Nutzung vor: Gewerbe, bis zu 150 Wohnungen und Übergänge zu dem kleinen Park nebenan.

Noch gilt für das Gelände ein alter Baustufenplan aus den 50er Jahren, der allein Gewerbe vorsieht. "Weil hier aber bereits vor zehn Jahren Wohnungen genehmigt wurden, gehen wir davon aus, dass dem Antrag auch dieses Mal zugestimmt wird", sagt der stellvertretende Leiter des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung, Rolf Niss.

Im Vertrauen darauf haben die Stadt und der Investor Quantum Immobilien einen Architektenwettbewerb ausgelobt. In der Endrunde sind nun zwei Entwürfe, mit einer fünf- bis sechs-geschossigen Neubebauung. Während der eine an der westlichen Grenze des Suttnerparks eine Randbebauung vorsieht, die sich zu einem Hof öffnet, soll es beim anderen einen zum Park hin abgerundeten Blockrand geben. Nach der Jury-Entscheidung am 24. März soll auf der Grundlage des Siegerentwurfs ein Bauvorbescheids-Antrag eingereicht werden. Erst dann wird geprüft, ob die Umwandlung des Gewerbegebiets in ein Wohngebiet rechtlich möglich ist.

Lux & Konsorten, eine Initiative von lokalen Gewerbetreibenden, hat ganz andere Ideen zu dem Gelände. Für sie ist der alte Gewerbehof ideal geeignet für einen bezahlbaren kommunalen Raum, der sowohl eine gewerbliche als auch eine öffentliche und nicht-kommerzielle Nutzung ermöglichen würde. "Wir sehen den Bezirk in der Pflicht, dass so etwas auch für Unternehmen und Personen möglich ist, die nicht, wie große Investoren, über einen Millionenscheck verfügen", sagt Frank John von Lux & Konsorten mit Blick auf den Investor Quantum.

Weil im Planverfahren die wesentlichen Voraussetzungen nicht mehr verhandelbar gewesen seien und es nur noch darum gegangen sei, den Investoreninteressen möglichst sozialverträglich Folge zu leisten, rief die Initiative einen Planungsstreik aus.

Dass Quantum angekündigt hat, mit der Wohnungsbaukreditanstalt (WK) zu verhandeln, um geförderte Wohnungen zu bauen, beeindruckt John wenig: "Für uns ist es nicht die Zukunft kommunaler Städteplanung, dass millionenschwere Konzerne sozialen Wohnungsbau machen und mit Steuergeldern billig bauen, damit sie trotzdem ihren Schnitt machen können." Es gehe nicht darum, dass die Initiative etwas gegen Wohnraum habe; entscheidend sei die Frage, ob die Räume bezahlbar seien.

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1 Kommentar

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  • H
    Hanseat

    Die SAGA oder eine Genossenschaft sollte hier bauen, damit nicht jede neue Wohnung in diesem Gebiet in das teure Segment, d.h. für wohlhabende Mieter, geht. Aber das ist ja jetzt die Aufgabe der SPD: Solche Flächen nicht pauschal an Unternehmen, Investoren und Millionäre zu verschachern, sondern andere Akzente zu setzen. Auch Mischkonstruktionen wären sinnvoll, z.B. 50 Prozent SAGA, 25 Prozent Eigentum und 25 Prozent Genossenschaft. Da hat die SPD ja viel versprochen, jetzt dürfen wir gespannt sein, ob es auch ohne GAL zu einem Umdenken kommt ...

     

    Außerdem ist der Vorschlag der Initiative eine Überlegung wert, denn je mehr solche Stadtteile mit Wohnungen verdichtet werden, desto mehr Autos kommen und die Infrastruktur wird intensiver genutzt. Beim Gewerbe käme es aber auch darauf an, was dann dort passieren soll. Kleine Betriebe schaffen häufig Arbeitsplätze und könnten der Gegend einen ganz anderen Nutzen bringen. So richtig klar ist mir deren Konzept aber noch nicht geworden.