: Streit um bayerisches Abtreibungsgesetz
■ FDP und SPD wollen Klage beim Verfassungsgericht gegen Bayerns Sonderregelung einlegen. FDP spricht von Mißachtung des Bundestags. Am Mittwoch findet die erste Lesung im Landtag statt
Bonn (dpa/AP) – Die FDP will gemeinsam mit der SPD gegen den bayerischen Sonderweg beim Abtreibungsrecht vor dem Verfassungsgericht klagen. Dies beschloß gestern der FDP-Parteitag einstimmig. Für die Klage sind die Stimmen von einem Drittel der Abgeordneten des Bundestages erforderlich.
Bayern will per Gesetz festlegen, daß die Frauen vor einer Abtreibung in dem Beratungsgespräch ihre Gründe darlegen müssen. Dagegen sollte nach dem im Bundestag vereinbarten parteiübergreifenden Abtreibungskompromiß die aktive Mitwirkung der Frau beim Gespräch nicht erzwungen werden können. Der bayerische Gesetzentwurf wird am Mittwoch in erster Lesung im Landtag beraten.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte, er sehe der angedrohten Klage „mehr als gelassen“ entgegen. Von einem erneuten Urteil aus Karlsruhe erwarte er eine deutlichere Vollzugsregelung des Beratungsgesprächs zum Schutz des ungeborenen Lebens. Wenn einzelne Länder darauf verzichteten, die Frauen nach den Gründen für die Abtreibung zu fragen, so stehe dies nicht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung der Karlsruher Richter, meinte Stoiber.
Wegen der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten der Beratungsregelung war es auch bei den Verhandlungen im Bundestag über den Allparteienkompromiß wiederholt zu Kontroversen gekommen. Das Beratungsgespräch ist von den Karlsruher Richtern zwingend vorgeschrieben. Gegner des Kompromisses hatten immer wieder geltend gemacht, daß ohne Mitwirkung der Frau ein Beratungsgespräch auch nicht bescheinigt werden könne. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt: „Wir wollen nie wieder, daß Druck auf eine Frau in Richtung auf eine bestimmte Entscheidung ausgeübt wird.“
CSU-Parteivorsitzender Theo Waigel griff im Focus Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) scharf an. Er nannte es „nicht hinnehmbar, daß manche wie Frau Süssmuth für sich ein Sondergewissen in Anspruch nehmen, das sie anderen wiederum nicht zugestehen“. Stoiber meinte im gleichen Blatt, Süssmuth sei „Teil einiger weniger Stimmungspolitiker in der CDU, die weniger Grundsätzen als Stimmungen nachlaufen“. Auch Süssmuth hatte den bayerischen Sonderweg kritisiert.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Otto Schily hatte bereits Ende vergangener Woche bekanntgegeben, daß seine Fraktion einen namhaften Juristen mit der Vorbereitung der Verfassungsklage gegen Bayern beauftragt habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen